Weihnachten bei Hoppenstedts (1. So. n. Weihnachten 2012)

Schöne Bescherung bei Hoppenstedts!  Ich denke, wir können über diese Szene gut lachen, weil wir sie ansatzweise selber kennen, wenn wir ehrlich sind.

Predigt – Lutherkirche Altena,

1. So. n. Weihnachten #Geschenke: Als Predigttext: Weihnachten bei Hoppenstedts, in: Loriot, Das Frühstücksei, S. 83f.

 

Hier wird geschenkt, was das Zeug hält – und doch, fürchte ich, fühlt sich am Ende keiner so richtig „beschenkt“.

 

„Vati“ bekommt eine Krawatte nach der anderen, weil jedem Familienmitglied wohl nichts eingefallen ist. Der Handel hat sich auf solche SOS-Geschenke inzwischen bestens eingestellt. Wahlweise gelten Bücher oder Parfüm als Last-Seller – als Geschenk auf den letzten Drücker.

 

Es ist aber auch schwer, etwas Passendes zu finden … Es ist nicht leicht, sich in den Anderen hineinzuversetzen und zu überlegen, was ihm wohl Freude machen würde … Daher gehören die Tage zwischen Weihnachten und Silvester zu den gefürchteten Umtauschtagen – und so mancher legt dem Geschenk gleich die Quittung bei mit dem freundlichen Hinweis: Wenn es dir nicht gefällt, kannst du es ja umtauschen …

 

„Opi“: Er bekommt einen Plattenspieler, um seine Platten in seinem Zimmer zu hören. Darüber freuen sich die Schenkenden fast noch mehr als der Beschenkte! Allzu selbstlos ist dieses Geschenk nicht – auch nicht der Staubsauger für „Mutti“, obwohl sie sich noch am meisten freut … Elektrogeräte kaufen ist – so habe ich gelernt – aber eine sehr sensible Angelegenheiten zu Weihnachten …

 

II.

Liebe Gemeinde,

 

es geht heute morgen nicht darum, uns das gegenseitige Schenken madig zu machen. Nicht um eine pauschale Konsumkritik, denn wer von uns wäre frei davon, je nach Geldbeutel zu kaufen.

 

Es geht doch eher um die Frage, welchen eigentlichen Sinn unsere materiellen Geschenke zu Weihnachten haben. Was wir positiv mit ihnen ausdrücken können – und was sie nicht sein sollten.

 

Loriot hält uns gnadenlos den Spiegel vor:

Haben wir den anderen im Blick, wenn wir ein Geschenk aussuchen? Oder schenken wir im eigenen Interesse?

Oder zugespitzer – und dann sind wir mitten in der Theologie und dem christlichen Glauben: Bleiben wir beim Schenken bei uns, oder sind wir beim Gegenüber?

 

Geht es beim Schenken um eine pflichtgemäße Übung, der man genüge tut – oder geht es um die Freude: um die eigene Vorfreunde, wen man sich Gedanken macht, ein Geschenk kauft oder herstellt, es einpackt – und um die Freude beim Gegenüber, wenn es ausgepackt wird. Geht es um ein Geben und ein Danken – und damit gar nicht um den materiellen Wert des Geschenks, sondern um die Beziehung zwischen Schenkenden und Beschenkten – das ist für mich die Frage. Sie führt uns zu Weihnachten und an die Krippe zurück!

 

III.

Ein ohnmächtiges Kind verrät, was unter Gottes Gegenwart zu verstehen ist: Wir sind absolut grundlos beschenkt.

Die Geburt Jesu passiert absolut unverhofft, im Wortsinn „zufällig“ unter allem Volk. Sie erreicht die Hirten, Maria und Josef mitten in ihrem Leben, ohne dass sie etwas dazutun können.

Nichts Vollkommenes, nichts Ewiges vermittelt ihnen die Gegenwart Gottes, sondern das Ohnmächtige, das Unbedeutende – doch gerade das ist das Bedeutungsvolle: Gott tritt mit uns in Beziehung in einem Menschen, dessen Geburt immer ein unverdientes „grundloses“ Geschenk ist. So sagen es fast immer Eltern, wenn man mit ihnen wegen einer Taufe in Kontakt kommt: Die Geburt eines Kindes ist ein Geschenk, zu dem man nichts dazutun kann, außer es in Freuden anzunehmen.

Im Philipperhymnus (Lesung) ist es das Geschenk Gottes, dass Jesus Christus gott-gleich bleibt, als er Mensch wird und damit den Menschen an sich erhöht. Er hat göttliche Majestät, aber er verzichtet darauf, ja mehr noch: Er geht den Weg bis zur tiefsten Erniedrigung am Kreuz, um den Mensch auch im Äußersten nicht gottverlassen zu sein.

 

Die Bibel kennt einen anderen Begriff für „Geschenk“: „Gnade“. Im Neuen Testament beschreibt der Begriff Gottes persönliches und souveränes Handeln, sich den Menschen selbst zu schenken. Er schenkt sich den Unwürdigen, den Hoffnungslosen, den Verlorenen. Und die Bedingungslosigkeit des Geschenks löst die tiefe Freude aus (etwa bei den Hirten) und gleichzeitig tiefes Misstrauen und tödliche Gegnerschaft: Herodes argwöhnt, dass da etwas nicht stimmen kann, wenn Gott sich so grundlos und unverhofft am Rande der Weltgeschichte, in einem Stall, offenbart. So nimmt Herodes das Geschenk nicht an, sondern tötet die Erstgeborenen. Die heilige Familie kann glücklicherweise fliehen.

 

IV.

Zu aller erst sind wir die Beschenkten – wenn wir (anders als Herodes) unsere leeren Händen öffnen und uns beschenken lassen können.

 

Als so Beschenkte können wir weiterschenken.

 

Unsere Geschenke spiegeln dann nichts anderes wider als das Geschenk Gottes an uns.

 

Unsere Geschenke spiegeln unsere Freude wider, einem anderen Menschen gegenüber.

 

Und auch das ist ein tiefer theologischer Gedanke:

Gott ist uns eben nicht als ein himmlischer Vater erschienen, hoch oben, der Welt entfernt. Auch gehört es nicht unbedingt zur christlichen Tradition, dass der Mensch durch seine eigene Seele mit Gott in Verbindung tritt.

 

Sondern: Gott wird erfahrbar im anderen Menschen. Das lehrt mich das Kind in der Krippe. Gottesliebe ist nichts anderes als Menschenliebe. Und Gott dienen ist nichts anderes als dem Nächsten dienen.

 

Gott etwas zurückzuschenken von seiner Liebe – es ist die Liebe gegenüber anderen Menschen, in denen Gott sichtbar wird.

 

Der Philosoph Jean-Paul Satre meint in seinem 1940 geschriebenen Weihnachtsspiel: „Christus ist geboren für alle Kinder der Welt. Und jedes Mal, wenn ein Kind geboren wird, wird Christus in ihm und durch es geboren.“

 

Auf unser Schenken zu Weihnachten (und darüber hinaus!) bezogen heißt das dann wirklich:

Ich komme, bring und schenke dir, was du mir hast gegeben (Paul Gerhardt, Ich steh an deiner Krippen hier; EG 37,1): Wir schenken das weiter, was wir durch Jesus Christus selber erfahren haben – und packen es gerne auch in Geschenkpapier: Lebensfreude. Die Liebe zum Nächsten. Die Achtsamkeit. Auch: Das Verzeihen. Die Treue. Und die Sicherheit und das Vertrauen: Du kannst auf mich zählen!

 

 

V.

Auf einmal bin ich bei Gedanken und Worten, die üblicherweise einem Hochzeitspaar gelten. Heute feiern Gisela und Jürgen Vogt ihre Diamantene Hochzeit. An sich schon ein Gottesgeschenk, dass Sie 60 Jahre zusammen sein können. Dass Sie sich über den Weg gelaufen sind, damals in der Tanzstunde bei Olga und Wilhelm Meister in Lüdenscheid. Ein Geschenk, dass sich Ihr gemeinsames Leben gefügt hat, nach einem schwierigen Beginn in der Nachkriegszeit, und dass sie heute so dankbar auf das schauen können, was Sie gemeinsam erreicht haben. Ein Geschenk, dass Sie im hohen Alter noch zusammen sind und diesen Tag begehen können!

 

Aber ich will auch ernst nehmen, was ich gerade gesagt habe: dass es das Geschenk Gottes ist, ihm selbst in einem anderen Menschen zu begegnen. Sie erleben ja nicht nur Ihre Ehe und Ihre Diamantene Hochzeit als Geschenk, sondern Ihr Ehemann/Ihre Ehefrau selber ist ein Geschenk. Ein Geschenk übrigens, wie Sie mir verraten haben, das immer besser wird… Ihre Beziehung ist in den Jahren eher noch enger geworden. Sie stützen sich gegenseitig, Sie gehen jeden Schritt des anderen mit – auch im Wortsinn, denn das Laufen wird etwas schwieriger.

Wenn ich Sie gleich gemeinsam segne, dann bezeichnet es zweierlei: dass Sie einander ein Geschenk sind (so wie sie es am Traualtar vor exakt 60 Jahre versprochen haben) und dass Sie darauf trauen, dass Gott sie im jeweils anderen beschenkt und Gott darin sichtbar wird.

 

VI.

Unsere Geschenke spiegeln das Geschenk Gottes an uns wider. Das gilt für mich für das ganze Jahr. Der erwachsene Jesus sagt: „Was ihr einem meiner geringsten Brüder/und Schwestern getan habt, das habt ihr mir getan.“

 

Deshalb lasst uns mit vollen Händen austeilen! Lasst uns einander beschenken, nicht nur am Heiligabend mit eingepackten Geschenken, sondern mit der Art unseres Zusammenlebens und unserer gegenseitigen Sorge füreinander, im gegenseitigen Teilen unsere Lebensfreude.

 

Ich wünsche mir, dass unsere Geschenken wie ein Wegweiser sind: „Seht doch da: Gott will so freundlich und nah zu den Verlor’nen sich kehren!“ (EG 41,1)