Schwerter zu Pflugscharen (Predigt 8. So. n. Tr. zu Jes 2,1-5)

Im Frühjahr 1981 drucken findige Studenten der Dresdener Studierendengemeinde einen Slogan auf Fliesaufnäher: „Schwerter zu Pflugscharen“. Flies deshalb, weil in der DDR der Druck auf Textilien einer Erlaubnis bedarf.

Predigt – Lutherkirche Altena/Ref. Kirche Wiblingwerde, 1. Sonntag n. Tr. (14.08.11)

Schwerter zu Pflugscharen (#Jes 2,1-5)

 

Dazu das Symbol eines muskulöser Werktätiger, der im Schweiße seines Angesichtes ein Schwert in ein Pflugschar umschmiedet. So steht diese Figur schon seit Kriegsende vor dem UNO-Hauptgebäude in New York, gestiftet von der Sowjetunion. So kennt es jedes Kind in der DDR, denn zur Jugendweihe gehört ein ganzseitiges Foto ins staatliche Geschenkpaket. [s. Logo Gottesdienstprogramm]

 

Ob da jedem klar war, dass hier ein Stück Bibel dargestellt ist, nämlich die Prophezeiung des Micha und des Jesaja?

Predigttext (BigS)

2_2Es2 wird geschehen am Ende der Tage:

Fest stehen wird der Berg des Hauses Gottes als Gipfel der Berge und sich erheben über die Hügel,

und zu ihm werden alle gojfremden Völker strömen.

3Und3 viele amVölker werden aufbrechen

und sagen: »Auf, lasst uns hinaufziehen zum Berg Gottes,

zum Haus der Gottheit Jakobs, damit sie uns lehre ihre Wege und wir gehen auf ihren Pfaden,

denn von Zion wird toraWeisung ausgehen

und das Wort Gottes von Jerusalem.«

4Und Gott wird mischpatRecht sprechen zwischen den fremden Völkern und richten zwischen vielen Völkern.

Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen

und ihre Lanzen zu Winzermessern umschmieden,

kein fremdes Volk wird mehr gegen ein anderes sein Schwert erheben, und niemand wird mehr Kriegshandwerk lernen.

5Haus Jakobs: Auf und lasst uns im Licht Gottes gehen!

 

II.

 

Die Welt hat sich geändert. Die Zeit, in denen sich zwei Völker den Krieg erklären, ist vorbei. Seit dem 11. September 2001 ist uns vor Augen, dass sich Gewalt privatisiert hat, von Einzelnen und Terrorgruppen ausgeht.

 

Nun sind wir konfrontiert mit wieder einer anderen Form der Gewalt, die mich verstört und die noch nicht verstehe: In London wenden sich Einzelne gegen das eigene Volk und die eigene Gesellschaft, vielleicht auch gegen das eigene politische und wirtschaftliche System. Die Jugendliche haben eine Ahnung davon, dass fast alle westliche Gesellschaften mehrere Jahrzehnte über ihre Verhältnisse gelebt und sie so verschuldet haben, dass alle Sparbemühungen sie treffen – und gleichzeitig alle Sparbemühungen nicht ausreichen.

 

Aber London passt nicht in die üblichen „Schubladen“: Es waren junge Menschen aus unterschiedlichen sozialen Schichten auf der Straße. Es sind oft Kinder vor dem Konfirmandenalter, die mit Baseball-Schlägern Fensterscheiben oder Polizeiautos zerstört haben.

 

Das Maß der Gewalt und diese unglaubliche Gewaltbereitschaft hat eine neue Qualität. Die „Tagesthemen“ zeigten einen Ladenbesitzer vor seinem zerstörten Lokal, der stammelte: „Ich suche seit Wochen nach einer Aushilfe. Hier hätten sie arbeiten können!“

 

Kann das bei uns passieren? – Ich hoffe inständig nein. Aber dann sollten wir Erwachsene unsere Jugendlichen offener fragen, was sie täglich erleben. Wie schwer es für sie ist, dem Teufelskreislauf von Gewalt und Gegengewalt etwas entgegen zu setzen. Wir müssten nicht nur empört auf Täter schauen, sondern die Opfer zu Wort kommen lassen mit ihren Gefühlen!

 

III.

Ist das Bild von de Schwertern, aus denen Pflugscharen, hilfreich – oder naiv?

Meine Konfirmanden halten mir entgegen, dass sie sich wehren müssen, auf dem Schulhof, in der Fußgängerzone, bei Meinungsverschiedenheiten. Wenn jemand das Handy oder die teure Jacke abziehen will. Wie sollte man anders reagieren, als zurückzuschlagen?

 

Die Bibel redet nicht naiv, sondern realistisch von der Gewalt. Seit Kain und Abel durchzieht sie die Menschheitsgeschichte, verdichtet in der Gewalt gegen Jesus: Seine Verhaftung, sein dornengekröntes Haupt voll Blut und Wunden, sein gefolterter Körper, sein qualvoller Tod am Kreuz zeigen, wozu der Mensch fähig ist.

Aber genauso ist die Bibel voller Hoffnung- voll der Erfahrung! -, dass Gottes Frieden diesen Kreislauf der Gewalt durchbricht. Verdichtet in der Auferweckung Jesu, in der der Fluch des Kreuzes zum Segenszeichen wird.

 

In meinen Augen ist der Wille zum Frieden ist nicht naiv, sondern oft die einzige Möglichkeit, den Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen. Daher fasziniert mich dieses Bild von den Schwertern zu Pflugscharen:

 

  1. Friede ist lernbar!

Bei Jesaja werden die Völker am Ende nicht mehr wissen, wie Krieg geht. Sie werden den Frieden gelernt haben. So wie Israel Lust an der Tora vom Sinai hat, schreibt sich den Völkern der Friedenswillen im Herzen. Die Welt wird einst vom süßen Duft des Friedens angezogen sein wie Bienen von duftenden Blüten, wie Durstige von der Wasserquelle. Sie werden nicht anders können, als sich vom Frieden anziehen zu lassen! Das ist die Vision.

 

Diese Vision kann uns in Mark und Bein übergehen. – Wir sollten als Kirche wohl kaum einfach nur politische Appelle zum Frieden wiederholen und verdoppeln – sondern wir können eine „Spiritualität des Friedens“ entwickeln und leben. Unsere Orte, unsere Gemeinschaft könnten eine Lernwerkstatt des Friedens sein!

 

In den USA habe ich mal eine Kirche besichtigt, an deren Eingang das Schild stand: „Hier sind Waffen verboten!“ – Das ist doch eine Selbstverständlichkeit, dachte ich! Aber gleichzeitig war es gut, dass hier ein Ort markiert wurde, der ein ganz anderer Ort sein soll: eine Lernort für den Frieden.

 

Unser christlicher Glaube lebt von der „Einbeziehung des Anderen“ (Jürgen Habermas): Er ist bezogen auf die Liebe zum Nächsten, ja selbst zum Feind. Keiner ist bei uns ausgeschlossen. Das Menschenbild, das die Reformation geprägt hat, unterscheiden zwischen der Person (was ein Mensch ist) und seinen Taten (was ein Mensch tut). Diese Unterscheidung ist ein Schlüssel zum Frieden.

 

Die DDR-Kirchen haben die Losung „Schwerter zu Pflugscharen“ konsequent weitergedacht, als Margot und Erich Honecker ausgerechnet in einem Pfarrhaus Unterschlupf fanden. Die Würde jedes einzelnen Menschen bleibt, egal was er getan hat.

 

  1. Frieden entsteht durchs Umschmieden!

 

Ich glaube: Es scheitern die, die Frieden schaffen wollen mit dem Schwert! Das sehen wir bei fast allen bewaffneten Konflikten. – Es scheitern womöglich auch die, die sich ausschließlich den Pflugscharen zuwenden. Denn sie übersehen, dass man nur dort pflanzen und ernten kann, wo Recht und Gerechtigkeit gewahrt sind.

 

Es geht in meinen Augen daher ums Umschmieden. Um einen Veränderungsprozess.

 

Beim Umschmieden wird den Schwertern die gefährliche Spitze nicht abgebrochen. Man braucht die Spitze ja später noch zum Pflügen! Die Waffen werden verwandelt, indem ihre Funktion verändert wird. Das Spitze, Scharfe, Verletzende kann nicht aus der Welt geschaffen werden. Aber es kann umgeschmiedet werden, „kultiviert“, dem Leben dienstbar gemacht werden!

 

Als die Regierung in Guatemala vor einigen Jahren feststellte, dass die Zahl der illegalen Waffen massiv gestiegen war, bot sie jedem Einwohner an: Gib deine Waffe ab – und du erhältst im Tausch eine Nähmaschine zum Arbeiten, ein Fahrrad zur Fortbewegung oder ein Wellblechdach für ein besseres Zuhause. Ich weiß nicht, was draus geworden ist: Aber die Idee war ganz im Sinne des Umschmiedens.

 

  1. „Schwerter zu Pflugscharen“ ist Utopie und Realität

 

Die Vision des Jesaja ist Zukunftsmusik für die „letzte Zeit“. Aber diese Vision kann unser Tun in der Gegenwart verändern.

 

Wer hätte vor 500 Jahren gedacht, dass Preußen und Bayern mal keinen Krieg mehr führen oder vor 60 Jahren, dass Deutschland und Russland in Frieden mit einander leben? – Welche Phantasien könnten wir heute haben für Palästina und Israel, für Europa in seiner Sinn- und Finanzkrise?

 

1981, im Jahr der „Schwerter zu Pflugscharen“, begann noch etwas: die Friedensgebete in der Leipziger Nikolaikirche. Die Gebete sorgten 1989 mit für den Fall der Mauer, was keiner wissen konnte.

 

Interessanterweise boten die Leipziger Friedensgebete am Anfang vor allem Jugendlichen Raum, die als unangepasst galten. Sie wurden vom Staat als „Elemente“ bezeichnet. Die Friedensgebete vermittelte den Jugendlichen die Kirche als Ort der Befreiung. Dort konnte das gesagt werden, was sie dachten, dort konnten sie die Tabuthemen diskutiert und den Frust über die allgegenwärtige staatliche Bevormundung herauslassen. So wurde die Nikolaikirche 1981 „offen für alle“ – wie’s heute noch an ihren Türen steht.- Könnten unsere Kirchen nicht erneut solche werden Orte, Lernorte für den Frieden für besonders diejenigen Jugendlichen, die mit der geballten Faust in der Tasche herumlaufen?

 

Immer wieder kann aus der alten Vision eine Realität werden. Denn die Vision ist alles andere als naiv. Unser Altenaer Friedensaktivist Heinz Mührmann dichtet:

In der Bibel werden die Menschen, die sich für den Frieden einsetzen, nicht als Spinner oder Chaoten bezeichnet, sondern als Kinder Gottes und Friedensstifter.“