Friede – erbaut auf dem Eckstein (1. So. n. Tr. zu Eph 2,11-22)

Eine Kirche für alle – gibt es die? Alle Kirchen für den Einen, nämlich Christus – gibt es das? Auch im heutigen Predigttext lässt uns das Thema „Ökumene“ nicht los und die Frage nach der Einheit der Kirche.Predigt – Luther-Kirche Altena, 1. So. n. Tr. #Eph 2,11-22

 

Der Apostel Paulus hat es allerdings mit ganz anderen Unterschieden zu tun als wir heute. In seinen Gemeinden müssen Christen zueinander finden, die einst Juden waren: die äußerlich das Kennzeichen der Beschneidung haben, sich taufen ließen und die sich nun fragen, wie viel sie von den jüdischen Gesetzen, z.B. den Speisevorschriften, für die neue Gemeinschaft konstitutiv ist. Und zum anderen: Christen aus den Nachbar-Völkern, „Unbeschnittende“, die den Gott Israels, den Vater Jesu Christi, nicht kennen.

Wie finden die „Nahen“ und „Fernen“ zusammen? – Der Epheser-Brief wendet sich an diese Christen aus den Völkern.

 

[Predigtext nach BigS]

 

II.

Liebe Gemeinde,

eine Kirche für alle – gibt es das? Alle Kirchen für den Einen, nämlich Christus, den Eckstein – gibt es das?

 

Bei Besichtigungen kommen viele Menschen in diese Kirche. Meine Beobachtung könnten die Mitarbeitenden der Offenen Kirchen noch unterstreichen: Jeder, der hierher kommt, welcher Konfession oder welchem Bekenntnis er auch angehört, ist erstaunlicherweise der Meinung, dass es „seine“ Kirche ist oder sein könnte.

Dem Katholiken geht das Herz auf wegen der kunstvollen Verzierungen und den barocken Engeln. „Die Kirche könnte katholisch sein!“ Der Lutheraner wirft ein: „Ja, war sie ja auch mal – aber schau mal in die Mitte, an die Decke: Dort ist die Luther-Rose: Die gibt es nur in einer ‚Luther-Kirche‘.“ –

„Stimmt, und eine Kanzel so direkt über dem Altar, ist auch nicht katholisch“, könnte der Katholik einwenden.

„Nein, das ist reformiert“, könnte ein Dritter im Bunde ausrufen. Tatsächlich, der Aufbau von Evangelium (Altar), Wort Gottes (Kanzel) und Lob Gottes (Orgel) ist typisch reformiert.

Und was wäre dann wohl, wenn sich ein Mitglied der Herrnhuter Brudergemeine hierher verirrte? Die Herrnhuter – wir kennen die Herrnhuter Losungen, – die Herrnhuter haben in ihren Kirchen ausschließlich weiße Bänke. Selbst der Herrnhuter könnte sagen: Das könnte unsere Kirche sein – jedenfalls mit Blick auf die Bänke.

 

Es gibt also unterschiedliche Blickwinkel, was Kirche zur Kirche macht. Und Äußerlichkeiten, wie damals die Frage nach Beschneidung oder Nichtbeschneidung.

 

Es gibt unterschiedliche Empfindungen: Die Kirche ist zu voll – könnte ein reformiertes Herz zu unserer nun gemeinsamen Luther-Kirche sagen. Der Prediger gehört nicht über den Altar als Ort des Sakraments, könnte ein katholischer Christ sagen.

Es gibt Empfindlichkeiten: Die massiven Gedenktafeln an die Gefallenen erinnern an die problematische Umarmung von Thron und Altar. Oder andere sagen: Können wir nicht noch die eine oder andere Requisite aus den geschlossenen Kirchen auch noch hier palzieren?

 

III.

Was ist dann aber der Maßstab, der Grund dafür, dass wir dennoch im Glaubensbekenntnis bekennen: Ich glaube an die eine Kirche? An die eine Kirche aus Lutheranern und Reformierten, aus der weltweiten Ökumene, in den Leoni Kristin heute hineingetauft wurde – sie bringt sogar katholischen Paten mit – ein Zeichen für das einende Band der Taufe zwischen den Konfessionen.

 

Was ist Maßstab? Was ist Grund für die geglaubte Einheit der Kirche, die in der Realität oft schmerzhaft vermisst oder gar mit Füßen getreten wird?

Der Eph erinnert schlicht und einfach an Jesus Christus: In ihm wurde Gott Mensch, der Religion nach Jude, mitten im Volk Israel. Gelebt, gelitten und gestorben ist er aber für die gesamte Menschheit, auch für die Völker ringsum. Sein Leben, sein Sterben und seine Auferweckung – all das bedeutet mehr als alle religiösen Vorschriften, die letztlich Menschensatzungen bleiben.

 

Die Weise, wie Jesus den Menschen seiner Zeit Gott neu vorgestellt hat, hat alle Grenzen gesprengt. Luther: „Der Zaun ist abgebrochen“, „Die trennende Zwischenwand ist eingerissen“ (BigS)

 

Jesus, der Christus, hat die Zwischenwand rausgenommen. Das konnte keine tragende Wand gewesen sein, keine notwendige. Sonst wäre das Haus eingestürzt. Nein, eine unnötige Zwischenwand ist raus: zwischen Christen aus Israel und den Völkern, zwischen Nahen und Fernen. Oder wie Paulus im Gal schreibt: zwischen freien und versklavten Menschen, zwischen Männern und Frauen, denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus“ (Gal 3,28b).

 

Die Zwischenwand ist raus zwischen Evangelischen und Katholischen. Sie darf getrost raus, weil Christus als Eckstein bleibt, als Grundstein, als tragendes Fundament.

 

Welche Sprengkraft hat das mit Blick auf das Leben Jesu, der ja Wände einriss zwischen Reichen und Armen, zwischen Integrierten und Randständigen, den gebildeten Pharisäern und dem religiös doch nicht ernst zu nehmenden Volk?! In unserer Gesellschaft werden die Zwischenwände immer weiter verstärkt. Paradoxerweise verliert dadurch gesamte Haus an Halt – und das Fundament wird quasi bis zur Unkenntlichkeit zugemauert.

 

IV.

Entscheidend ist, dass es mit der einen Kirche für alle nur etwas wird, wenn alle Kirchen für den Einen leben!

 

Es geht ja nicht um Äußerlichkeiten wie Kirchräume. Es geht um unser Zutrauen in den Eckstein. Es geht darum, ob wir unseren Ort als Hausgenossen in diesem Bau annehmen, uns rufen lassen, nicht mehr Gäste oder Fremdlinge zu sein, sondern Bewohner. So wie Leoni Kristin durch ihre Taufe gerufen ist, Bewohnerin zu sein.

 

Das übersteigt alle Fragen nach Äußerlichkeiten, nach sichtbaren Unterschieden. Nach Empfindungen und Empfindlichkeiten. – Und macht gleichzeitig die Sache mit der einen Kirche so schwer: Woran soll uns die Welt erkennen? Das Getauft-Sein hinterlässt kein Erkennungszeichen am Körper – und doch soll man es uns ansehen!

 

Der Eph setzt uns erneut schlicht und einfach auf die Spur, indem er Jesus ein Erkennungszeichen gibt:

Christus ist unser Friede.

 

Friedliebigkeit und Friedfertigkeit kann auch unser Zeichen sein. Das wäre Stoff für eine eigene Predigt. Denn man muss heute schon genau hinschauen, wo man am Einsatz für den Frieden / Christinnen und Christen erkennen kann. Die Zeiten haben sich verändert: „Ein bißchen Frieden“ von Nicole war 1982. Heute scheinen wir uns wieder mehr und mehr an Krieg zu gewöhnen.

 

Doch wir haben erlebt, wie Margot Käßmann für ihre Neujahrspredigt über Afghanistan aufgeregt hat. Sie hat eigentlich nur an die Position der beiden großen Kirchen erinnert: nämlich für einen gerechten Frieden einzutreten, anstatt stets Militäreinsätze zu rechtfertigen. Man hat ihr Naivität unterstellt, als ob man mit Beten etwas erreichen könnte. Auf dem Kirchentag in München hat sie nochmals bekräftigt und gesagt: „Es kommt mir weitaus sinnvoller vor, im Beduinenzelt mit Taliban für den Frieden zu beten, als wie dieser Krieg sinnvoll ist.“ Christinnen und Christen können als Hoffnungszeichen sichtbar werden, wo die Politik allzu oft gleich von Alternativlosigkeit spricht.

 

Und schließlich zuletzt: Unser Bundespräsident stolperte über eine Äußerung zu einer längst festgeschriebene Militärdoktrin, die militärisches Eingreifen auch zur Wahrung von Handelsinteressen vorsieht. Dass es diese Doktrin gibt, scheint kaum bekannt zu sein. Und wieweit die Militärdoktrin mit dem Grundgesetz übereinstimmt, ist unklar. Darüber – und nicht über die Art des Rücktritts – hätte ich mir eine breite gesellschaftliche Diskussion gewünscht.

 

Ein drittes Beispiel: Im Januar 2009 haben Katholiken und Protestanten hier gemeinsam ein Friedensgebet gehalten, als der Konflikt zwischen Israel und Palästina wieder einmal in kriegerische Gewalt ausbrach. Israel und Palästina – das sind genau die Gebiete der ersten Christen aus den Juden und den Völkern. Wir haben gespürt, wie „Einheit“ sichtbar wurde, weit über das Versammeltsein in einem Kirchraum hinaus. Das tat gut und hat sehr ermutigt!

 

Christus unser Friede – im Eph ist das Friede-Halten, das Einstehen und Beten für den Frieden ein sichtbares Zeichen für die Einheit der Kirche. Ein Beispiel. Aber gleichzeitig – im doppelten Sinne – „wesentlich“ für die Hausgenossen im Haus Christi.

 

Was fällt uns ein, frage ich mich, um den Eckstein in unserem Haus kenntlich zu machen, um unsere Taufe sichtbar zu machen? Was wollen wir ausstrahlen?

 

Amen.