Nichts zu sehen (Ostern 2010 zu 1Kor 15,1-11)

Christus ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden! Halleluja. Das ist das wohl kürzeste Bekenntnis der Christenheit. Das muss man festhalten! [Foto machen mit einer Kamera in den Raum]

Ostersonntag – Lutherkirche Altena

#1Kor 15,1-11

 

Dieses Bekenntnis setzt Ostern ins Bild, fasst die Geschichte Jesu zusammen, so wie sie in den Evangelien beschrieben wird. Aus dieser Perspektive, aus dieser Einstellung heraus, vom „Markusschluss“ her, wird die Geschichte Jesu erst richtig sichtbar und verständlich.

 

Heute begegnen uns viele Bekenntnisse, viele verdichtete Blicke auf Ostern (Glaubensbekenntnis): „Jesus Christus, Gottes Sohn, / aus dem Tod Erstandener, / unser Leben. / Dir danken wir.“

 

Auch Paulus ruft der der Gemeinde in Korinth ein Osternbekenntnis in Erinnerung – das wohl älteste (1Kor 15):

 

3 Denn als erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe: Daß Christus gestorben ist für unsre Sünden [a] nach der Schrift;

4 und daß er begraben worden ist; und daß er auferstanden ist am dritten Tage [a] nach der Schrift;

 

II.

Warum ist so ein Osterbekenntnis so wichtig?

 

  1. Als Fokussierung auf den Grund des Glaubens:

Es ist nicht mehr alles in Ordnung in der Gemeinde in Korinth: Sie ist gespalten in Lager, begeht theologische Irrtümer, wird sozial ungerecht im Abendmahl. Daher: Fokus auf das Wesentliche!

 

  1. Noch viel naheliegender: Weil es keiner gesehen hat!

Die Frauen, die am Ostermorgen zu Grab kommen, sehen nicht die Auferstehung, nicht mal den Auferstanden. Sie sehen den weggewälzten Stein. Sie sehen einen Jüngling mit einem langen weißen Gewand, der sagt: „Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Grekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier.“

Das einzige was die Frauen sehen können: „Die Stätte, wo sie ihn hingelegt hatten …“ (Mk 16) – Sie sehen nicht die Lösung des Rätsels, sondern nur das Räsel an sich!

 

Sie fürchten sich, sie zittern, weil sie nicht glauben können, was sie nicht sehen (fast wie beim ungläubigen Thomas).

 

Entgegen dem Ratschlag, nichts zu sagen, verkündigen die Frauen die Auferstehung. Die sie nicht gesehen haben. Nein, die sie interpretieren, die sie am leeren Grab erfahren und gespürt haben. Sie verkündigen sie mitten hinein in die Trauer und die Niedergeschlagenheit der Jünger, vielleicht mit den Worten, die dann christliches Bekenntnis werden und die Paulus nach Korinth schreibt:

Ja, Christus ist gestorben für unsre Sünden – so hat es die Schrift für den Messias vorausgesagt;

Ja, er ist begraben worden; aber: er ist auferweckt worden von Gott am dritten Tage, wie es die Schrift voraussagt.

 

Ich kann mir vorstellen, dass die Männer sie fragten: Was habt ihr denn nun gesehen? – „Nichts eigentlich!“, können sie nur antworten.

 

Hätte man damals ein Foto machen können: Es wäre nichts drauf zu sehen gewesen. [Foto machen und dunkles Display zeigen]

 

Auferstehung lässt sich nicht fotographieren, ja nicht einmal mit Worten richtig beschreiben: Es gibt viele Ungereimtheiten in den Auferstehungsbeschreibungen in den Evangelien.

 

Der Auferstehungsbotschaft scheint man sich nicht nähern zu können, in dem man historische Fakten rekonstruiert, so wie es der Spiegel oder die Bildzeitung fast jedes Jahr aufs neue versucht, um dann festzustellen, dass der Leichnam Jesu vielleicht gestohlen wurde. Dass alles unstimmig ist, weil man nicht weiß, wer den Stein weggewälzte. Weil man nicht sicher sein kann, ob Jesus tatsächlich tot war, als er vom Kreuz genommen wurde.

 

Nein, so interessant diese Frage auch sind – sie helfen nicht weiter. Auferstehung ist eine Sache des Glaubens, sicher auch eines Glaubens, der verstehen will. Aber eben des Glaubens.

 

III.

Schon die Zeitgenossen des Paulus müssen ihre Schwierigkeiten gehabt haben. Paulus jedenfalls schiebt seinem Osterbekenntnis eine Handvoll Autoritäten nach, um dem Bekenntnis Gewicht zu geben: Er führt namhafte Zeuge, ja Augenzeugen an:

 

5 und daß er gesehen worden ist von Kephas, danach von den Zwölfen. 6 Danach ist er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben, einige aber sind entschlafen. 7 Danach ist er gesehen worden von Jakobus, danach von allen Aposteln. 8 Zuletzt von allen ist er [a] auch von mir als einer unzeitigen Geburt gesehen worden.

 

War der Auferstandene nach seiner Auferstehung doch sichtbar, fotographierbar?

 

Es kommt ganz darauf an, wie man die Phrase „Christus ist gesehen worden“ übersetzt. Das griechische Verb ist zweideutig und bedeutet genauso: „Christus hat sich gezeigt.“ – „Christus ist erschienen.“

 

Das ist mehr als ein bloßes Sehen, das man womöglich fotographieren könnte, auch mehr als ein psychologisches Phänomen, eine Halluzination. „Christus hat sich gezeigt“ – das ist eine religiöse Erfahrung: Die Erfahrung, dass der Auferstandene in mein Leben tritt und gegenwärtig spürbar ist:

– für die Emmaus-Jünger: Christus ist gegenwärtig, als sie traurig ihren Weg gehen, und sie erkennen ihn, als er mit ihnen Brot und Wein und ihre Sorgen teilt. Sie vergegenwärtigen sich die Erfahrung mit Jesus zu seinen Lebzeiten und merken: Brannte nicht unser Herz?

– für die Täuflinge: Der auferstandene Christus tritt in Euer Leben: Er will Euch begleiten – heute (nicht als historische Figur von früher), sondern als Kraft, als Vorbild, als Begleiter, als Hilfe.

 

V.

Paulus benennt Zeugen: Keine Augenzeugen wie in einem Polizeibericht [Fotoapparat], sondern als Zeugen, die ihre Osterfreude zeigen. Die Zeugnis ablegen vom Auferstandenen und damit seine Sache weitertragen und für heute spürbar machen.

 

„Brannte nicht unser Herz?“ – Das ist unsere Frage.

 

Ostern fragt danach, was die Auferstehung für uns ganz persönlich bedeutet: Aufstehen! Ins Leben gehen! Den Blick nach vorne richten! Die Tür zum Himmel offen halten für eine Welt, die nur einen Blick fürs Real-Mögliche hat. Die nur den Bildern traut, die man fotographieren kann…

 

Wir sind als Zeugen gerufen, heute besonders die Paten, aber natürlich wir als ganze Gemeinde, weil wir es weitersagen sollen: Was tröstet uns im Leben und im Sterben? Was drückt unsere Hoffnung aus, die auch über den Tod hinausragen darf?

 

„Brannte nicht unser Herz?“, ist die Ostererfahrung der Emmausjünger.

 

Man kann Auferstehung nicht fotographieren.

 

Aber wir können unsere Hoffnung in den Blick nehmen. Wir können die Gegenwart Christi heute fokussieren und festhalten.

 

Wir werden Auferstehung nicht als Bild speichern können auf einer Speicherkarte [zieht Papierherz aus Speicherschacht].

 

Aber wir können sie im Herzen festhalten. Amen.