Was uns ausmacht (Gründonnerstag zu 1Kor 11,17-26)

Was macht unsere Gemeinschaft aus?  Was erhält sie? Was zerstört sie? In der besonderen Nacht Israels zum Passafest geht es nicht nur um das religiöse Gefühl, dass Gott sein Volk aus Ägypten führte. Es geht immer auch um diese Frage nach der Gemeinschaft – und was sie gerettet hat.

Predigt Gründonnerstag Luther-Kirche Altena

#1Kor 11,17-26

 

Die Zehn Gebote etwa, weil sie Regeln für ein gelingende Gemeinschaft sind.

 

Und für die besondere Nacht der Kirche, die sich an das letzte Mal Jesu erinnert? Auch wir sollten nicht vorrangig nicht um eine Abendmahlslehre kreisen oder um schwierige theologische Fragen, wie Jesus als Auferstandener im Abendmahl gegenwärtig ist – nein, es stellt sich genauso schlicht die Frage: Worin wird im Abendmahl unsere Gemeinschaft sichtbar? Was gefährdet sie?

 

Abendmahl ist ein spirituelles Geschehen und ein soziales. Unser Essen, jedes Essen hat einen Zusammenhang, weil Menschen zusammenhängen.

 

II.

In Korinth zur Zeit des Paulus bricht dieser Zusammenhang gerade auseinander. Paulus stellt fest: Da haben schon die einen festlich getafelt und sich den Bauch vollgeschlagen, bevor die anderen vom Felde kommen und dann nur noch die Reste abbekommen. Satt werden an Leib und Seele und Abendmahl des Herrn: Das tritt auseinander. Das spaltet die Gemeinde.

 

20 Wenn ihr nun zusammenkommt, so hält man da nicht das Abendmahl des Herrn. 21 Denn ein jeder nimmt beim Essen sein eigenes Mahl vorweg, und der eine ist hungrig, der andere ist betrunken. 22 Habt ihr denn nicht Häuser, wo ihr essen und trinken könnt? Oder verachtet ihr die Gemeinde Gottes und [a] beschämt die, die nichts haben? Was soll ich euch sagen? Soll ich euch loben? Hierin lobe ich euch nicht. 23 [a] Denn ich habe von dem Herrn empfangen, was ich euch weitergegeben habe:

 

Und dann erinnert Paulus an die Worte des Evangelisten:

 

Der Herr Jesus, in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot, 24 dankte und brach’s und sprach:[A] Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; das tut zu meinem Gedächtnis. 25 Desgleichen nahm er auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund[A] in meinem Blut; das tut, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis. 26 Denn sooft ihr von diesem Brot eßt und aus dem Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, [a] bis er kommt.

 

Was macht unsere Gemeinschaft aus, scheint Paulus zu fragen? Was erhält sie? zerstört sie?

 

In der Korinther Gemeinde kommen Menschen zusammen, um sich die Frohe Botschaft mitzuteilen, sich mitzuteilen, miteinander zu teilen. „Weint mit den Weinenden, seid fröhlich mit den Fröhlichen“, schreibt Paulus an die Römer. Ähnlich soll das Leben in Korinth ein Anteilnehmen und Anteilgeben sein. Sympathie soll herrschen im Wortsinne: mitfühlen.

Es geht um Wesentliches und Alltägliches zugleich, genauso wie Jesus im Alltag das Nichtalltägliche gelebt hat und das Besondere im ganz Gewohnten sichtbar machte.

Nun aber fallen in Korinth Ritus und Leben auseinander: Man bezieht sich auf das Abendmahl Jesu – und gleichzeitig grenzt man Glaubensgenossen aus. Man redet von der Gerechtigkeit Gottes – und übt Ungerechtigkeit aus!

 

Man handelt nicht so, wie man redet. Man redet nicht so, wie man handelt.

In der Folge führt das zur einfachen, aber bitteren Erkenntnis: Es rächt sich für die christliche Gemeinde, wenn die Frage nach der alltäglichen Gerechtigkeit umgangen wird. Oder um es pointierter zu sagen: Man kann nicht Abendmahl feiern, wenn die Gerechtigkeit nicht sichtbar Gestalt annimmt.

 

An diesem Punkt sind wir mitten in den schrecklichen Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche, die auch uns sicher nicht kalt lassen. Der seelische und körperliche Schaden bei den Opfern ist das eine. Das andere: Es steht die Wahrheit und Sinnhaftigkeit von Abendmahl und Kommunion, ja der Kirche, auf dem Spiel, sobald Christen nicht zusammenkommen, um sich zu gegenseitig zu stärken, sondern wenn sie einander verletzen, ja zerstören.

 

Soziales Fehlverhalten lässt sich nicht spirituell abschwächen oder gar aufheben.

 

Daher wird die katholische Kirche nun berechtigterweise an den eigenen christlichen Ansprüchen gemessen. Daher höre ich Stimmen die sagen: Wenn Lehrer das machen, ist das schon schlimm. Aber die Kirche …

 

III.

Aber zurück nach Korinth: Sattwerden an Leib und Seele und die Feier des Auferstandenen treten auseinander.

Vielleicht zieht Paulus den falschen Schluss. Er könnte sagen: Wartet mit dem Essen, bis alle vom Feld und in Gemeinschaft versammelt sind. Er macht’s wohl praktikabler und empfiehlt: Eßt Euch zu Hause satt zu essen, kommt dann zusammen und feiert dann ein Abendmahl. Schon früh also trennt sich das Abendmahl vom Sättigungsmahl.

 

Auch heute werden wir nicht körperlich satt vom Abendmahl, aber immerhin sitzen wir gemeinsam am Tisch. Eigentlich müssten wir viel häufiger auch gemeinsam essen!

 

Denn: Das Abendmahl feiern ist nicht vorrangig eine Interpretations- und Argumentationsgemeinschaft (Johann Baptist Metz) – wir reden hoffentlich nicht vorrangig über die Gemeinschaft mit Gott und zu einander.

 

Sondern wir vollziehen sie: Wir sind eine Mahl- und Tischgemeinschaft.

 

Wir bilden gemeinsam den Leib Christi, so wie ein Brot aus vielen Körner zusammen einen Laib bildet. Wir sind nicht eine Ansammlung nebeneinander lebender, sich selbst verwirklichender Individualisten. Nein, der Christusglaube besagt doch: Wir sind aufeinander angewiesen und zueinander gestellt. Wir würdigen jeden und jede Einzelne.

 

Das ist leicht gesagt, schon innerhalb unserer Gemeinde: Es sind nicht alle gleich gelitten, gleich klug, gleich angenehm. Mit manchen möchte man nicht täglich zusammen sein – ja, und nochmals ja.

 

Das bestreitet auch keiner: In der letzten Abendmahlsrunde Jesu sitzt selbst der dabei, der ihn später verrät. Jesus hält ihn aus – und dadurch behält der Verräter seine Würde, unabhängig von seinem Versagen.

Der soziale Zusammenhang bleibt gewahrt – selbst mit dem, der ihn zerstört. So paradox macht Jesus es vor.

 

IV.

Für mich liegt viel Kraft und Leben in der Erinnerung an „diese Nacht, in der ER verraten ward“.

Diese Nacht erinnert daran, wie zerbrechlich eine Gemeinschaft ist, letztlich auch unsere! Also: keine unrealistische Erwartungen, aber auch mehr Achtsamkeit für das Mögliche!

„Die Nacht, in der er verraten ward“, stellt sich quer zu unserem Harmoniebedürfnis, das uns oft die Tiefe unserer Beziehungen nimmt. Diese Nacht schreit nach Versöhnung, nach ständigem Neubeginn. Diesen Neubeginn schenkt im letzten Abendmahl Jesus selbst, weil er den Verräter nicht ausschließt!

Jesus kehrt aber nichts unter den Teppich: Die ganze Ungerechtigkeit, die eine Gemeinschaft zerstören kann, kommt buchstäblich auf den gedeckten Tisch!

 

Genau daran erinnert Paulus die Korinther: Damit sie ihren Kompass neu ausrichten. Damit ihre Zusammenkünfte wieder sozialen Zusammenhalt bekommen und sie so handeln, wie sie reden, und so reden, wie sie handeln. Kurzum: Das Abendmahl soll wieder zu einer Predigt des Reiches Gottes werden:

„Denn sooft ihr von diesem Brot eßt und aus diesem Kelche trinkt“, sagt Paulus, „verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.“