Dynamischer Gott – Predigt zu Trinitatis

Wie viele Ohren sind auf dem Bild mit den drei Hase zu sehen? Schaue ich in die Mitte, so bilden die Ohren eine Art Dreieck – es könnten also gut drei Ohren sein. Schaue ich eher einen Hasen einzeln an, sehe ich an ihm zwei Ohren. Drei Hasen hätten dann eher sechs Ohren.

Predigt Trinitatis, 30. Mai 2021, Flaesheim/Sythen

 

Wie viel sind es denn nun? Und was hat das Bild mit uns am Trinitatisfest zu tun?

Das Dreihasen-Fenster ziert den Kreuzgang am Paderborn Dom und das Bischofswappen. Der Hase ist nicht von biblischer Bedeutung. Vielmehr wird hier auf bodenständisch westfälische Weise gedeutet, worüber die Kirchen jahrhundertelang gestritten und sich sogar entzweit haben: Wie kann man den einen Gott denken auf drei Wesen? Und umgekehrt: Wenn es der eine Gott im Himmel und auf Erden ist, warum reden wir dann dreifach von Vater, Sohn und Heiligem Geist?

Ist das heute nicht eher eine philosophische Denksportaufgabe? Begriffe aus dem 4. Jahrhundert wie Wesen, Substanz, Seinsweisen helfen mir heute nicht wirklich, wenn ich nach Gott frage.

Die Trinität wirkt auch ein wenig patriachal. Die Kabarettistin Carolin Kebekus rappt: „Der Vater, der Sohn, der Heilige Geist. Drei Männer, keine Frau, oh mein Gott, wie dreist!“

Und biblisch ist eine Trintitätslehre auch nicht. Darum habe ich heute die Lesung und Glaubensbekenntnis aus unterschiedlichen biblischen Traditionen selber zusammengestellt und auf den vorgeschlagenen Predigttext verzichtet.

Die Vorstellung eines dreieinigen Gottes ist vor allem im Gottesdienst verankert: Wir beginnen ihn im „im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“, manche bekreuzigen sich dazu. Wir taufen auf den dreieinigen Gott.

Aber wie sehr prägt er heute die Vorstellung unseres persönlichen Glaubens?

Habt Ihr nun einen Gott oder drei, fragen Jüdinnen und Juden, Muslime und Muslima. Wir ringen und stottern wir im Dialog der Religionen oft damit, dies zu erklären.

 

II.

Womöglich liegt genau darin das Problem: den einen Gott in drei Weisen erklären zu wollen…

Schauen wir nochmals auf das Fensterbild von Paderborn: Da ist vor allem viel Leben und Bewegung drin. Die drei Hasen jagen einander im Kreis nach.

Ich stelle mir Gott grundsätzlich vor als einen lebendigen und wandelbaren Gott. Durch den gesamten biblischen Erzählbogen erscheint Gott in unterschiedlichem Kleide, mit unterschiedlichen Gesichtern, so als ob er sich situativ anpassen könnte, um den Menschen nahe zu sein:

Ich schätze die Vorstellung eines Schöpfers. Dabei geht es mir nicht um die Frage, ob die Welt in sechs oder sieben Tagen erschaffen wurde, sondern darum, dass diese Erde wunderbar gemacht ist und mit Sinn versehen ist. Der Schöpfer hat seine Schöpfung nicht verlassen. Und ich als Geschöpf habe von ihm die Freiheit und die Verantwortung geerbt, die Schöpfung zu bebauen und bewahren.

Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. (Gen 8,21f.)

Ich kann viel der Vorstellung abgewinnen, dass der Schöpfer sich mit Israel ein Volk ausgewählt hat, an dem er gleichermaßen seine Verheißungen und Versprechungen wahrmacht als auch an ihm zuweilen verzweifelt. In diesem Volk wächst die Sehnsucht danach, dass Gott einst selber auf die Erde kommt: Das wird der Moment sein, wo alle Menschen die Weisungen Gottes im Herz haben (neuer Bund nach Jeremia 31) und seine Welt, sein Reich, nahe herbeigekommen ist (Evangelien).

Als Christinnen und Christen glauben wir, dass dies in Jesus von Nazareth passiert ist: Wie Jesus von Gott sprach, wie er handelte, wie er seiner Mission treu blieb und die Ablehnung der Menschen durchlitt bis Tod – darin hat sich Gott selbst gezeigt, „offenbart“.

Dass Jesus Gottes Sohn war – darin stecken für unseren Glauben einige Herausforderungen: War Jesus denn nun Mensch oder Gott? Beides, „wahr Mensch und wahrer Gott“. War er schon vorher beim Vater? Ja, heißt es Philipper-Brief: Gott-Vater entäußerte sich selbst und nahm die Gestalt eines menschlichen Dieners an (Phil 2). Wo bleibt Jesus eigentlich nach der Auferweckung? Die Evangelien schließen mit der Erzählung von Himmelfahrt ab, um zu verdeutlichen: Gott-Sohn kehrt zurück zu Gott-Vater. Gott: der eine in zweien…

Paulus schreibt voller Glaube über Christus, dass nichts,

dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges,  weder Hohes noch Tiefes noch irgendeine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn. (Röm 8,38.39)

Die Lust Gottes, sich zu wandeln und zu verändern, scheint ungebrochen: Den verwirrten und orientierungslosen Jünger, die nach Ostern an den See, in ihr altes Leben, zurückgekehrt sind oder in Jerusalem nicht wissen, wie es weitergehen soll – diesen Jüngern schickt Gott den Heiligen Geist an Pfingsten. Das hat Jesus nach dem Johannes-Evangelium schon angekündigt:

Der Tröster, der heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird auch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe. (Joh 14,26)

Der eine Gott, nunmehr in drei Weisen.

 

III.

Diese Wandelbarkeit, diese Dynamik: Das ist mein Zugang zum dreieinigen Gott – und letztlich auch meine Lösung für das Hasenbild am Paderborner Dom: Ob man nun drei oder sechs Ohren sieht – es spielt für mich gar keine Rolle!

Es geht um die die Lebendigkeit, um die unterschiedlichen Perspektiven, in denen Gott sich zeigt: Er kann ganz Schöpfer sein mit seiner himmlischen Schönheit und Macht. Er zeigt sich ganz als Mensch, klein, schwach und verletzlich und leibgewordene Gottes-Welt. Gott bleibt über alle Orte und Zeiten hinweg gegenwärtig durch seine Geistkraft.

Gott geht dabei mit sich selbst in Beziehung: Er schickt sich selbst auf die Erde. Er kündigt selbst den Geist an. Gottes Geist befreit zum Leben in der Welt des Schöpfers.

Gleichzeitig ist jede einzelne Weise Gottes schwer ohne die andere denkbar. Das ist wie beim berühmten biblischen Dreiklang „Glaube – Liebe – Hoffnung“: Alles kann einzeln betrachtet werden, aber besonders werden Glaube, Liebe, Hoffnung erst zusammen, je in der Beziehung zueinander.

Der im Frühjahr verstorbene Schweizer Dichter und Theologie Kurt Marti schrieb einmal über den dreieinigen Gott:

„Was würde fehlen ohne eine der drei Personen?! Die Stärke des Schöpfers! Die Menschlichkeit Jesu – auch im Leiden! Die Gegenwart Gottes im Geist!

Gott ist in sich Gemeinschaft.

 Ich versuche, mir das vorzustellen: Eine Gottheit, die durch und durch Liebe ist, die nicht für sich bleiben kann. Und die meine Gesellschaft sucht. Die feste liebt und mich neben sich auf die Bank zieht und sagt: Komm, sag ehrlich, wie geht es Dir.“

III.

Ein Gott, der sich selber wandeln kann und Nähe zu mir aufbaut…

Ich habe mich konkret in dem zurückliegenden Jahr gefragt: Was bleibt vom Schöpfer, der alles weise geordnet hat, wenn die ganze Welt gegen eine Pandemie kämpft?

Was habe ich von Jesus von Nazareth, der ganz bewusst Aussätzige berührt, dem eine hilfesuchende Frau am Gewand zieht, der zum Mahl einlädt, während wir auf physischen Abstand gehen und die Gemeinschaft meiden mussten?

Dann denke ich an die beglückenden Momente, in denen ich Gott mit seiner Geistkraft spürte: ja, auch durch digitale Kommunikation mit Freunden auf der ganzen Welt, die „pfingstlich“ zusammengerückt sind; ja, auch dadurch, dass Gottes Gemeinde sein Wort hören konnte durch neue Gottesdienstformate, ja auch durch kreative Ideen und viel Phantasie, wie wir als Menschen beieinander zu bleiben.

Könnte es nicht sein, dass Gott sich auch hier so gewandelt hat, dass wir zu ihm fanden? Und könnte es so sein, dass er gerade doch auch als Schöpfer und in Jesus Christus gegenwärtig war, durch alle Nöte und Gefahren hindurch, weil er sich auch nochmals anders zeigte?

Jahrhunderte lang stellen wir in unseren Gottesdiensten diese göttliche Dynamik dar. Sie trägt uns in den Alltag. Sie geht weit über das Verstehen mit dem Kopf hinaus, sondern bringt uns in unmittelbare Beziehung mit Gott. Daher zum Ende der altkirchliche Taufsegen, der nach vorne weisen möge:

Der barmherzige Gott / stärke dich durch seinen Heiligen Geist, / er erhalte dich in der Gemeinde Jesu Christi / und bewahre dich zum ewigen Leben.

Amen.