Was bringt das mit der Religion? (Tag der Berufung des Paulus 2015 zu Mt 19,27-30)

Und nun stehe ich hier … Paulus vor Herodes Agrippa. Der besuchte Chäserea, wo Paulus gefangen gesetzt war wegen seiner Religion. Und weil er die Seiten gewechselt hatte.

Predigt – Gedenktag der Berufung des Paulus

25. Januar 2015 – Lutherkirche Altena

#Mt 19,27-30

 

Erinnert ein wenig an Luther: Hier stehe ich, ich kann nicht anders (Reichstag in Worms 1519): Als er seinen Glauben verteidigte.

 

Paulus: „Und nun stehe ich hier und werde angeklagt [a] wegen der Hoffnung auf die Verheißung“.

 

Warum wird angezweifelt, dass Gott Tote auferweckt? Ihm ist Jesus, den Auferstanden selber erschienen. Der Christus – das wiederum glauben die Juden nicht, dass Jesus der Messias war.

Daher haben sie Paulus ins Gefängnis gebracht. Denselben Paulus, der vorher noch als gläubiger Jude die ersten Christen verfolgt hat.

Er benennt das in seiner Rede frank und frei: Er hat sie ins Gefängnis gebracht. Er hat sogar Todesurteile gegen sie bestätigt und erwirkt. Christen verfolgt.

 

Was bringt das mit der Religion, könnte man fragen. Schon zur biblischen Zeit scheint es so, dass Religion Feindschaft und Missgunst erzeugt, Menschen auseinander bringt.

 

Was bringt das wohl?

Es ist nicht nur eine Frage, die sich womöglich die Konfirmandinnen und Konfirmanden stellen, die nun regelmäßig kommen sollen, die sich mit dem christlichen Glauben auseinandesetzen sollen, ihn kennenlernen und leben sollen. – Es ist die Frage der ganzen Gemeinde- denn heute geht ja man nicht mehr zur Kirche, weil man es muss oder es sich gehört, sondern weil man möchte. Daher hat jeder hier etwas dazu zu sagen.

Was bringt das, ist inzwischen auch eine immer lautere Frage von außen, von denen, die mit Religion nichts zu tun haben: Sie könnten mit Blick auf die Geschichte des Paulus sagen: Siehste, sage ich doch: Religion bringt vor allem eins: Zwietracht und Auseinandersetzung Rechthaberei und sogar Tod…

 

In einer Talkshow zu den Terroranschlägen in Paris hieß es vor kurzem: „Absolutheitsanspruch und Toleranz schließen sich eben aus …“

 

II.

Was bringt das mit der Religion?

Die Geschichte des Paulus zeigt ja gerade, dass es einen allgemeingütligen Absolutheitsanspruch, der für alle Zeiten und Orte geben kann: Denn schon Paulus verändert seinen Glauben radikal. Er lebt vorher ja auch nicht gottlos. Er wechselt aber die Glaubensgemeinschaft, weil er stets auf der Suche nach seiner Wahrheit und Gewissheit ist – und das schließt auch die Unkehrung alles bisher Gültigem ein.

 

Er ringt und sucht nach Gott. In Damaskus, so erzählt er selber, hat er das besondere prägende Erlebnis einer Gottesbegegnung: Was er erlebt, bringt er mit Jesus Christus in Verbindung und mit einem ganz persönlichen Auftrag an ihn: Er soll diesen Jesus Christus allen anderen Völkern verkündigen.

 

Absolut kann und darf also nur sein, was den Einzelnen ganz persönlich zur Wahrheit wird. Er kann seine Sicht mit anderen teilen – und Paulus hat ja Gemeinden gegründet und wie kein zweiter für den christlichen Glauben geworben! -, aber sofort war der Glaube in Galatien anders akzentuiert als im Rom, in Korinth anders als in Ephesus, weil die Lage und Sichtweise der Menschen dort anders war.

 

 

Bei Paulus ist also nicht das Problem, dass er einen für ihn absolut geltenden neuen Glauben findet. Das Problem liegt – wie früher bei Paulus selbst – in der Intoleranz des Volkes gegenüber diesem fremden Glauben! – Oder andersherum gesagt: Hut ab vor diesem starken Erlebnis und dem Glauben, der daraus erwachsen ist. Er sollte akzeptiert werden, auch wenn Paulus ihn öffentlich nach außen trägt und seine Altersgenossen sich daran reiben!

 

Und es wird um die rechte Sichtweise gestritten – das wünsche ich mir immer wieder für unsere Gemeinde und heute auch besonders für den KU: Paulus holt die Gemeindeleiter der verschiedenen Gemeinden zu einem Apostelkonzil zusammen, um den grundlegenden Konflikt zwischen den ersten Gemeinden zu lösen – nämlich ob man durch die Beschneidung erst Jude werden soll oder direkt durch die Taufe Christ wird. Man einigt sich auf Letzteres. Ein erster heftiger Konflikt ist beigelegt, durch das Ringen um den Standpunkt und nicht durch nivellierende Toleranz.

 

Was bringt die Religion?

Sie hat die Kraft, Hoffnungen und Verheißungen neu zu formulieren und damit einer Gesellschaft neue Impulse und neue Sichtweisen zu geben. Neu zu fokussieren und festzuhalten, worauf es ankommt. Aus dieser Kraft heraus entsteht zur Zeit des Paulus das Christentum, das sich noch zur Zeit des Neuen Testaments bis nach Europa ausweitet.

 

Was wäre das heute? –

Die alte Kirche hat schon immer vier wichtige Funktionen für sich in Anspruch genommen – und das ist für mich auch heute noch einzigartig (und die Konfis werden das in besonderer Weise erleben können):

 

Wir feiern Gottesdienste – und glauben, dass Gott uns in diesen Momenten dient: indem er uns Kraft und Mut verleiht, die wir uns nicht selbst schenken können. Dass uns Erkenntnis und Einsichten über unser Leben und Zusammenleben kommen, die wir uns oft nicht aus uns selbst heraus sagen können: Ich vergebe dir! Ich liebe Dich, wie du bist! Du musst nicht perfekt sein! – So spricht Gott zu uns, und ich finde es eine große Befreiung, dass ich das erst hören darf, bevor ich es selber sagen kann und soll.

 

Wir bilden eine Gemeinschaft.

Das ist eine zufällige Gemeinschaft: wer hierher kommt, ist eingeschlossen. Das können derzeit Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan sein oder Menschen, die sich bei uns ausbilden lassen, um Sterbende zu begleiten. Die bei uns Donnerstag zu Gast in der Suppenküche sind. Interessant wird es, wenn es vielleicht gar nicht so zufällig ist, weil viele doch getauft sind und daher mit uns als Glaubensgeschwister verbunden sind …

 

Wir sind füreinander da … (Diakonie)

Paulus schon sammelt Kollekten ein, um zwischen den ersten Gemeinden einen Ausgleich zu organisieren. Er sendet die Phöbe aus, eine erste Diakonin, die die Gemeinden zusammenhalten soll. Wir beten für andere. Wir versuchen überhaupt erst einmal Menschen in den Blick zu nehmen … – Das ist weit mehr, als dass wir mit der organisierten Diakonie ein evangelisches Sozialunternehmen betreiben: Es fängt bei jeder Begegnung an.

 

Und schließlich: Wir legen Zeugnis ab.

Tatsächlich, wer von Jesus Christus überzeugt wird, wer ihn kennen gelernt hat, so wie der Paulus, dessen Leben wird anders und er wird so leben, wie Jesus es vorgemacht hat. Er wird davon erzählen, was anders wird. Vielleicht nicht gleich so einschneidend wie bei Paulus: Aber wer weiß schon, wann die großen Heiligen der Zukunft einmal von Gott angestoßen werden oder schon wurden?! – Bei uns Evangelischen sind alle berufen, die getauft sind, und wir alle sind Heilige!

 

III.

Was bringt das mit der Religion?

Die Frage klingt sehr funktionalistisch, verzweckt und fast kapitalistisch. Tatsächlich! – Es ist auch gar nicht Eure Frage, liebe Konfis, als ob Euch hier jemand unterstellen wollte, dass ihr Euch nur wegen eines entsprechendes Lohnes bei der Konfirmation auf die Religion einlasst. Nein, es ist – schlicht und ergreifend – die Frage der Jünger Jesu selbst. Der Predigttext für den 25. Januar, die Berufung des Paulus, fragt nach dem Lohn, den man für die Nachfolge Jesu bekommt. Die Jünger fragen also schon, was es denn bringt. Und Jesus winkt nicht ab, sondern verspricht reichen Lohn. Aber im Himmel:

 

„27 Da fing Petrus an und sprach zu Jesus: Siehe, [a] wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt; was wird uns dafür gegeben?

28 Jesus aber sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Ihr, die ihr mir nachgefolgt seid, werdet bei der Wiedergeburt, wenn der Menschensohn sitzen wird auf dem Thron seiner Herrlichkeit, auch [a] sitzen auf zwölf Thronen und [b] richten die zwölf Stämme Israels.

29 Und wer Häuser oder Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Kinder oder Äcker verläßt um meines Namens willen, der wird’s hundertfach empfangen und das ewige Leben ererben.“

 

Fragt sich nur, was man im Himmel mit Häuser und Äckern will. Daher lade ich ein – alle ein!, sich auf den Glauben und Jesus Christus einzulassen, ohne zu fragen, was es bringt: Neugerig, spendabel mit der eigenen Zeit, suchend und vielleicht auch bereit, sich zu verändern wie Paulus, eingereiht in eine lange Tradition, die auch heute ihre Kraft entfaltet und auch uns aufrecht stehen lässt.