Fortsetzung folgt (Ostern 2013 zu Joh 20,11-18)

„Glauben Sie wirklich an die Auferstehung“, fragt mich eine Konfirmandin. – „Kann man das leere Grab beweisen?“ fragt „Der Spiegel“ fast reflexhaft jedes Jahr zu Ostern.

Predigt – Lutherkirche Altena

Ostersonntag, 31.3.2013

#Joh 20,11-18

Der Atheist faucht: „Einen Himmel malt sich nur aus, wer das Leid der Erde nicht sehen will!“

Ein anderer Unreligiöser meint, fast schon neidisch; „Schön, wenn man glauben kann, dass mit dem Tod nicht alles aus ist.“

 

Ostern trifft den Kern des christlichen Glaubens: „Ist aber Christus aber nicht auferstanden, so ist unsere Predigt vergebens, so ist auch euer Glaube vergebens“, schreibt Paulus an die Korinther (1Kor 15,14). An der Frage nach der Auferstehung scheiden sich die Geister – auch unter Christen!

 

Zielen die Fragen überhaupt in die richtige Richtung? Ist es nicht immer wieder mühsam, so befragt zu werden – und dann noch sich und uns selbst am Ostermorgen so zu befragen? Macht es das nicht alles unnötig kompliziert?

 

II.

Lasst uns doch einfach die alte Geschichte nacherzählen. In ihr steckt so viel auch für heute! Wir haben gerade einen ersten Abschnitt aus dem JohEv gehört.

Der Ostermorgen kommt dort eigentümlich holprig daher – und rauscht fast folgenlos vorbei: Kein Engel, der die Osterbotschaft verkündet. Die beiden Jünger sehen lediglich das Leichentuch Jesu im Grab liegen. Aber was bedeutet es? Wo ist Jesus? Erst „glaubt“ der Lieblingsjünger „glaubt“ – aber im nächsten Moment heißt es: Sie verstanden aber nicht die Schrift, dass Jesus von den Toten auferstehen würde (V. 9).

Der Ostermorgen wirkt im JohEv wie ein Vorspiel. Maria von Magdala und die beiden Jünger bleiben im Vorösterlichen. Es braucht erst noch eine Fortsetzung:

 

Joh 20,11 Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte. Als sie nun weinte, schaute sie in das Grab

12 und sieht zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, einen zu Häupten und den andern zu den Füßen, wo sie den Leichnam Jesu hingelegt hatten.

13 Und die sprachen zu ihr: Frau, was weinst du? Sie spricht zu ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben.

14 Und als sie das sagte, wandte sie sich um und sieht Jesus stehen und weiß nicht, daß es Jesus ist.

15 Spricht Jesus zu ihr: Frau, was weinst du? Wen suchst du? Sie meint, es sei der Gärtner, und spricht zu ihm: Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir, wo du ihn hingelegt hast; dann will ich ihn holen.

16 Spricht Jesus zu ihr: Maria! Da wandte sie sich um und spricht zu ihm auf Hebräisch: Rabbuni!, das heißt: Meister!

17 Spricht Jesus zu ihr: Rühre mich nicht an! Denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater. Geh aber hin zu meinen [a] Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.

18 Maria von Magdala geht und verkündigt den Jüngern: Ich habe den Herrn gesehen, und das hat er zu mir gesagt.

 

Ganz langsam nähern wir uns Ostern: Maria weint.

„Ihr werdet weinen und klagen“ (16,20) hat Jesus in seinen Abschiedsreden schon angedeutet. So kommt es.

Wir sind noch (oder wieder) am gleichen Ort, dem Grab. Aber der weggewälzte Stein ist hier kein Zeichen der Auferweckung. Eher ist das leere Grab der Tatort eines Leichenklaus: „Sie haben meinen Herrn weggenommen“, stammelt Maria gegenüber den beiden Engeln. Selbst die beiden Engel können ihr nicht helfen. Sie wendet sich ab.

 

III.

Im JohEv ist für den Osterglauben die Begegnung mit dem Auferstandenen selbst nötig. Und zunächst erkennt Maria den Auferstandenen gar nicht. Sie denkt, es ist der Gärtner.

Aber – und das ist für mich ein kleine, aber ganz wichtige Beobachtung: Der Leser, der Hörer des Evangelium weiß schon viel eher als Maria, dass der Gärtner Jesus ist („Spricht Jesus zu ihr: Frau, was weinst du?“) Der Evangelist schreibt schon vom Ende der Geschichte her. Er schreibt vom Glauben der Gemeinde her.

Welch wunderbare Brücke auch für uns: Johannes benennt die Erscheinung Jesu – und lässt sie dennoch in der Schwebe, indem er Maria die Gestalt als Gärtner ansprechen lässt. Zweifel und Glaube greifen ineinander.

Mittelalterliche Osterspiele hatten die Schwierigkeit diese Szene auf die Bühne zu bringen: Sollte man die Gestalt jetzt aus Jesus auftreten lassen oder als Gärtner, zunächst als Gärtner und dann – verwandelt – als Jesus? Wie auch immer: Jedes Mal wird verwischt, dass Leser und Hörer schon vorher etwas wissen, was Maria noch nicht weiß – dem Leser wird hier tatsächlich ein Glaubensvorsprung zugemessen!

Der Altar von Schöppingen aus dem 15. Jhd. (Programmheft!) hat diese Szene so gelöst, dass sie Jesus den Spaten des Gärtners und die Siegesfahne des auferstandenen Christus in die Hand gedrückt hat. Für mich ist das Annäherung an Ostern, dass Jesus als Auferstandener erscheint, auch uns er scheinen kann, aber anders als zu Lebzeiten! Und überraschend allzu mal! Und dass gerade aus dem zweifelnden Blick auf einen Totengräber Glaube an den Auferstandenen entstehen kann!

 

IV.

Wir sind an der Wendung der Geschichte, am Punkt, wo es Ostern wird: Jesus spricht sie an: „Maria!“

Ostern kommt daher als Liebesgeschichte: persönlich angesprochen, nahe umfangen, direkt hineingezogen. – Es ist diese persönliche Anrede. Ich bin der Hirte und ich kenne die Meinen (10,14) Wir dürfen unsere Namen ergänzen und uns angesprochen wissen: Maria! Dietmar!

Wer fragt, ob man das leere Grab beweisen kann, der fragt viel zu wenig. Ostern handelt von einer bleibenden Beziehung – und bei einer Liebesgeschichte fragt man nicht: Kannst Du es beweisen?

 

Ähnlich persönlich antwortet Maria: Rabbuni, mein Meister! – Jesus sagt aber: Rühr mich nicht an! – Maria greift mit der alten Anrede nach der alten Zeit, aber sie ist nicht wiederherstellbar. Die Beziehung zu Jesus ist aber nicht ein für alle Mal vorbei, Jesus nicht einfach gestorben – sie muss keinen Gärtner mehr nach dem Leichnam fragen -, Aber: Die Beziehung ist anders. Andersartig erscheint der Auferstandene.

Jesus erklärt es sogar, warum er nicht anzufassen ist: Er ist auf dem Weg zum Vater. Mit der Himmelfahrt schließt sich der Kreis. Die Vorstellung im Weltbild der alten Zeit: Gottes Wort wurde Mensch, kam vom Himmel auf die Erde. Das Werk „ist vollbracht“ am Tiefpunkt des Kreuzes, wie Jesus ausruft. Am Ostermorgen wirkt die Liebesbeziehung Jesu zu den Menschen aber fort – über alle Brüche des Todes hinaus, und er kehrt zum himmlischen Vater zurückkehren kann.

Berühren kann Maria ihn also nicht mehr. Das ist der Bruch. Könnte sie ihn festhalten und anfassen, wäre die Auferstehung eine medizinisch-naturwissenschaftliche Sensation, etwas fürs Museum oder den Zirkus. Der auferstandene Christus ist aber weit mehr als ein wiederbelebter Jesus von Nazareth, mit dem es so weiter geht wie bisher – bis zur nächsten Kreuzigung. Der Auferstandene ist auf dem Weg zurück zum Vater: Durch Menschwerdung, Tod und Auferstehung die Liebe Gottes ein für alle Mal sichtbar geworden ist: eine Die Liebesbeziehung über alle zeitlichen und räumlichen Grenzen hinweg, eben als „ewiges Leben“!

 

V.

„Glauben Sie wirklich an die Auferstehung?“ Ja, aber mit der ganzen Geschichte der Maria, auch mit den Zweifeln, mit dem Nichterkennen, mit der Schwierigkeit, Jesus nicht fassen zu können. Aber mit der Erfahrung, vom Auferstandenen geliebt und gesendet zu sein.

Das wäre auch die Antwort nach dem schönen Himmel, mit dem man sich vom trüben Leben abzulenken versucht: Bei Johannes fängt das „ewige Leben“ doch schon im Hier und Jetzt an, indem Maria Jesu Liebe neu verspürt. Der Spaten des Gärtners vom Schöppinger Altar wird für mich zum Zeichen, mit der Liebe des Auferstandenen die Schöpfung im Hier und Jetzt zu bebauen und zu bewahren sollen – also keine Weltflucht!

„Kann man das leere Grab beweisen?“ – Die Frage greift zu kurz! Liebe ist nicht zu beweisen, aber zu spüren!

Und: „Schön, wenn man glauben kann, dass mit dem Tod nicht alles aus ist.“ Ja, lasst uns selbst danach fragen. Und vor allem, so wie der Evangelist Johannes: Von unserer Hoffnung erzählen! Amen.