Ins Halleluja einstimmen (Ostern 2002 zu 1Kor 15,20-28)

Woran denken Sie an Ostern? Ferien? Cholesterin? Auferstehung Jesu? Langeweile mit der Familie? Nur 15% haben auf der Homepage der Evangelischen Kirche in Deutschland für „Ferien“ abgestimmt. – Ich unterstelle Ihnen einmal, dass Sie eher zu den 75% der Leute gehören, die sich für „Auferstehung Jesu“ entschieden hätten.

 

Ist doch eine einfache Frage, eine klare Sache! Zumindest für die Kirchen-Insider: Ostern feiern wir den Sieg des Lebens über den Tod. Was denn sonst? Cholesterin-Schock und Langeweile mit der Familie sind auch österliche Realitäten, aber eben Marginalien. Das eigentliche Ereignis: Christus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden.

Nach sieben Wochen ohne – ohne was auch immer -, kann es uns frei über die Lippen kommen, wie wir es gerade gesungen haben: „Er ist erstanden, Halleluja, freut Euch und singet Halleluja“.

Wir können einstimmen in die Worte des Paulus, der triumphiert wie ein Sieger in einem Wettstreit: „Tod wo ist Dein Sieg? Tod, wo ist Dein Stachel?“ – Ich stelle mir diesen Satz nicht nur in seinem Brief an die Korinther vor – nein, für Paulus ist das ein Lebensmotto gewesen, das er geradezu herausposaunt hat: von Kanzeln, auf Marktplätzen. Provozierend, Position einnehmend: „Tod, wo ist Dein Sieg? Tod, wo ist Dein Stachel?“

 

Können wir guten Gewissens einstimmen?

Selbst wenn wir an Ostern ohne größeres Zögern „Auferstehung Jesu“ ankreuzen würden: Gäbe es da nicht auch gehörige Zweifel?

– Vorgestern noch Karfreitag – heute wie auf Knopfdruck Osterfreude?

– Gestern noch die Bilder aus Israel und Palästina im Fernsehen gesehen – heute in Gebet und Gesang dem Tode trotzen, ja gar dem Tod seinen eigenen Tod proklamieren?

– Hier sind wir ein kleines Häuflein, ein größeres als die Sonntage zuvor, aber dennoch ein kleines im Vergleich zu den Menschen, die sich heute nicht der Freude verschrieben haben:

– die einen, weil sie resigniert haben, aufgrund ihrer Arbeitslosigkeit: „Die Verhältnisse sind eben so“, höre ich einen sagen.

– die anderen, weil sie allenfalls leise lächeln, wenn ich von meiner Osterfreude spreche, weil sie krank und schwach sind, das Leben langsam von ihnen weicht.

– wieder andere, die selbst Ostern nicht zur Ruhe kommen aufgrund ihrer Betriebsamkeit und Überlastung.

– Auch unter uns sitzen Menschen, die mit Sicherheit „Jesu Auferstehung“ ankreuzen auf dem Werbeplakat, aber denen dennoch nicht so einfach die Osterfreude über die Lippen kommt.

 

Ist unser Vorhanden, Halleluja zu singen, angesichts der harten Realitäten unserer Welt nicht absurd? –

 

Es ist absurd. Aber ich stelle die Gegenfrage: Wäre es nicht viel absurder, wenn wir es nicht täten? – Wäre es nicht viel absurder, wenn wir es Gott nicht mehr zutrauen würden, dass er diese Welt errettet? Dass er mich persönlich nicht preisgibt, egal wie es mir hier auf Erden ergeht? –

 

In meinem Krankenhauspraktikum habe ich eine todkranke Frau besucht. Ich hatte mich darauf eingestellt, dass sie Angst haben würde vor ihrem baldigen Tod. Ein mulmiges Gefühl für mich. Wie könnte ich sie trösten? – Es kam ganz anders, absurderweise: Sie wollte nicht in ihrer Angst getröstet werden. Sie wollte mit mir ihre Zuversicht teilen, dass Gott sie nicht preisgibt, sie nicht allein lässt. Selbst im Tod. Und sie sprach dankbar von ihrem Leben.

 

Was ist also absurder? Dass wir das Oster-Halleluja abschaffen aufgrund von Krankheit, Gewalt, Krieg? – Oder dass wir das – vielleicht auch ein zaghaftes – „Ja“ sagen und singen vor Gott, der dem Tod den Schrecken genommen hat? – Was hängt von dieser Frage ab?

 

 

B.

Für Paulus ist die Auferweckung Jesu von den Toten der Grund seines Glaubens. („Grund des Glaubens“ im Sinne von Fundament, auf dem sein ganzes Leben steht. „Grund seines Glaubens“ aber auch im Sinne von Anlass und Beginn: Seit der Auferstandene ihm begegnet ist, ist für ihn die Sache klar): „Ist Christus nicht auferstanden, so ist unsere Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich“, schreibt er den Korinthern ins Stammbuch. Uns lese ich weitere Verse aus dem 15. Kapitel des 1. Korintherbriefes:

 

Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind.

21 Denn da durch einen Menschen der Tod gekommen ist, so kommt auch durch einen Menschen die Auferstehung der Toten.

22 Denn wie sie in Adam alle sterben, so werden sie in Christus alle lebendig gemacht werden.

23 Ein jeder aber in seiner Ordnung: als Erstling Christus; danach, wenn er kommen wird, die, die Christus angehören;

24 danach das Ende, wenn er das Reich Gott, dem Vater, übergeben wird, nachdem er alle Herrschaft und alle Macht und Gewalt vernichtet hat.

[25 Denn er muß herrschen, bis Gott ihm »alle Feinde unter seine Füße legt« (Psalm 110,1).]

26 Der letzte Feind, der vernichtet wird, ist der Tod.

 

Dazu mein dreifaches Werben, in das Oster-Halleluja einzustimmen:

 

  1. Die Auferweckung Jesu ist der Schlüssel für unsere Zukunftshoffnung

Für Paulus ist die Auferweckung Jesu ist Gottes rettendes Eingreifen in unsere Geschichte. Einst hat Gott den Menschen geschaffen zu seinem Ebenbild, ihn mit aller Freiheit ausgestattet, die der Mensch aber dazu genutzt hat, sich von Gott abzuwenden: In Gestalt dieses alten Adams kam und kommt der Tod in diese Welt – bis heute: Oder sind die Herrscher im Nahen Osten etwa über Kain und Abel hinausgekommen, wenn sie ihre persönliche Feindschaft auf den Rücken zweier Völker austragen? – Der alte Adam ist zuverlässig gottesfern!

Paulus schreibt: Genauso zuverlässig, wie durch Adam der Tod in die Welt gekommen ist, so werden durch die Auferstehung Jesu alle lebendig gemacht. ER wird der lebendige Beweis für unsere Zukunftshoffnung: So sicher wie er auferstanden ist, so sicher werden die Toten auferstehen – am Ende der Zeit, wenn er wiederkommt.

Deshalb hängt Paulus so viel am Auferstehungsglauben: Traut man Gott schon die Auferweckung seines eigenen Sohnes nicht zu … wie wird man sich das „neue Jerusalem“ am Ende unserer Zeit ausmalen können?

Paulus ermuntert uns also zur Auferstehungshoffnung: Das leeren Grab hat die Welt verändert. Warum sollte Gott nicht auch uns und unser Leben verändern? Warum sollte gerade dann unser Leben im Tod verfangen bleiben?

 

  1. Der Auferstandene ist der Gekreuzigte, der ins Recht gesetzt wird.

Dieser Christus, von dem Paulus spricht, ist der Jesus von Nazareth. Ein Gerechter, der seine Mitmenschen annahm. Der keinem etwas Böses tat – der Ebenbild Gottes schlechthin war. Dessen Liebe sogar so weit ging, dass er sich nicht wehrte, als er verhaftet und gefoltert wurde.

Ein Gerechter, der sich und Gott treu blieb, bis in die Abgründe des menschlichen Todes hinein.

Er hat sie durchlitten, als Mensch. Sein Tod war sinnlos, ja, ein ähnlich absurdes Szenario wie wir’s heute anprangern.

Dass Jesus auferstand, ist Gottes Aufstand gegen alles Leid und Unrecht dieser Welt.

Aber gerade deshalb kann unser Halleluja und unser Auferstehungsglaube erklingen, mitten in der und in die noch nicht erlöste Welt hinein: Gott hat es nicht bei dieser Absurdität des Leidens und Sterbens belassen.

Sondern: Gott hat gegen diesen Mechanismus der Welt, den wir allzu gut kennen, seine Befreiungstat gesetzt: Er hat Jesus auferweckt vom Tod.

Unrecht, Leid, ja selbst der Tod ist überwunden: Damit ist (um mit Ernst Lange zu sprechen) „der Tod kein Argument mehr gegen das Leben, kein Argument mehr gegen die Liebe. Ganz schlicht: Kein Argument gegen Gott.“

 

  1. Diese veränderten Vorzeichen leuchten bereits in unser Leben hinein.

Paulus geht davon aus, dass die Toten erst am Ende der Welt auferstehen, dann wenn Christus wiederkommt.

Es gibt keine Abkürzung zur Auferstehung.

Noch haben auch wir uns in der nicht erlösten Welt zurecht zufinden.

Ich will aber die Vorboten nicht übersehen, wo bei der aufbrechenden Machtfrage zwischen Tod und Leben das Leben bereits siegt:

– Gleich feiern wir das Abendmahl: Ein Fingerweis auf die volle Gemeinschaft mit Gott am Ende dieser Zeit. Brot und Wein als ein Vorgeschmack, wie es ist, wenn alles gerecht verteilt sein wird und jeder satt wird.

– Ich denke schließlich an die vielen Menschen, auch unter uns, die auch nach 2000 Jahren vom Auferstandenen bewegt sind. Die seine Sache weitertragen. Die ihn weitertragen, die dadurch Leib Christi sind, Kirche. Ohne die verändernde Kraft Gottes, die in Ostern gründet … undenkbar!

– Ich denke da an die Frau, die ich im Krankenhaus besuchte: Ihr Tod war nahe. Aber er bestimmte nicht ihr Leben. Sondern die Hoffnung, bei Gott geborgen zu sein, trug sie. Der Tod war kein Stachel mehr in ihrem Leben.

 

 

C.

Liebe Gemeinde, was ist nun absurder, das Oster-Halleluja auszulassen, weil es augenscheinlich nicht mehr als das kleine Apfelbäumchen ist, das ich pflanze? Oder ist das Halleluja dankbar und mutig anzustimmen, gerade weil wir und diese Welt diese Osterhoffnung so sehnlich brauchen?! –

Wenige Jahre nach dem 30-jährigen Krieg (wahrlich in auch nicht einfachen Zeiten) schrieb der niederlausitzer Dichter Johann Franck:

Trotz dem alten Drachen,

Trotz dem Todesrachen,

Trotz der Furcht dazu!

Tobe, Welt, und springe;

ich steh hier und singe

in gar sichrer Ruh.

Gottes Macht hält mich in acht,

Erd und Abgrund muß verstummen,

ob sie noch so brummen.