Frieden ist genauso wie Krieg lernbar!

Anlässlich der Kriegsrhetorik zwischen den USA und Nordkorea “wiederhole” ich an dieser Stelle einen Redebeitrag: Ich habe diese Rede 2014 zu einer Ausstellungseröffnung zu “100 Jahre Friedensbewegung Märkischer Kreis” (und nicht vorrangig: “100 Jahre Erster Weltkrieg”) vor Schülerinnen und Schülern gehalten.

Eröffnung der Ausstellung „Frieden gegen Krieg – Gewissen gegen Gewehre. 100 Jahre Friedensarbeit in Hagen und dem Märkischen Kreis

Freitag, 7. Juni 2014, Burggymnasium Altena

Wir erinnern uns in diesen Tagen an den Ausbruch des 1. Weltkriegs vor 100 Jahren – ein Krieg, den viele zunächst nicht für möglich hielten. Ein Krieg, der dann viele in den Bann schlug, selbst die, von denen man das nicht gedacht hätte: die Sozialdemokraten. Auch die Kirchen. Auf dem Koppelschloss des Soldatengürtels stand „Gott mit uns!“ – uns für den Sieg segneten die Kirchen Waffen und Soldaten. Nur wenige Theologen entzogen sich damals dem nationalen Taumel.

Junge Männer, nicht viel Älter als Mittelstufenschüler heute, zogen kriegsbegeistert ins Feld – und fühlten sich dabei im Recht.

Wenig später war Europa durchlöchert von mehreren tausend Kilometern Schützengräben. Die Befehlshaber schickten ihre Soldaten in die Schlachten wie im Mittelalter, Mann gegen Mann oft, obwohl inzwischen das Maschinengewehr erfunden war. Am Ende starben 17 Millionen Menschen im Ersten Weltkrieg.

100 Jahre 1. Weltkrieg – das bedeutet auch 100 Jahre Friedenarbeit. Darüber wird im Fernsehen nicht viel berichtet, aber es ist bedeutsam. Denn wo immer Krieg gewesen ist, hat es auch den Einsatz von Menschen für „Frieden gegen Krieg und Gewissen gegen Gewehre“ gegeben, so der Titel der Ausstellung, die wir heute eröffnen.

Auch in unserer Region hat das Engagement für Frieden seinen Ort gehabt und hat ihn immer noch: im „Friedenszeichen Hagen“, dem Friedensplenum Iserlohn, der Bürgerinitiative für Frieden und Abrüstung Märkischer Kreis (hierzu gehört auch Altena) und der Friedensgruppe Lüdenscheid.

Denn eins ist klar: Ähnlich wie ein Krieg nicht wie ein unvermeidliches Schicksal vom Himmel fällt, genauso ist auch Frieden kein Naturzustand. Ja, ich sage sogar: Kriege enden nie in Frieden. Friede ist kein automatischer Zustand, selbst nicht, wenn der Krieg aus ist.

Sondern: Frieden muss täglich neu erkämpft und erarbeitet werden. Ja, er muss vorbereitet werden, als Idee immerfort wachgehalten werden. Auch zu Friedenszeiten.

Frieden ist für Euch Schüler in Eurer Generation (und auch für Menschen in meiner Generation) so etwas wie Gesundheit: So lange man nicht krank wird, spürt man wenig von seiner Gesundheit. So ist es wohl auch mit dem Frieden und der langen Zeit, die wir in Europa Frieden haben (oder genauer bis zum Balkankrieg in den 1990er-Jahren) Frieden hatten: Er ist selbstverständlich – aber darin steckt auch eine Gefahr!

 

II.

In 100 Jahren Friedensarbeit kommen viele Momente und Anlässe zusammen, wo bei den Menschen der Wille zum Frieden aufgebrochen ist – das ist in der Ausstellung dokumentiert.

Das geht zurück in ganz vergangene Zeiten: der Krieg 1870/71. Aber selbst hier gibt es ein sichtbares Zeichen: die Friedenseiche am Markaner, gepflanzt, um die nachrückenden Generationen an die Schrecken dieses Krieges zu erinnern. Oder die Mahnmale und die Gedenktafeln für die Toten des Ersten Weltkriegs, in Dahle, am Klusenweg, auch in der Lutherkirche haben wir Namenstafeln mit denen, die starben, meistens Soldaten.

Die Leidenschaft zum Frieden hat immer einen Anlass! Alle, die heute die Friedensinitiative prägen, werden ein Ereignis in ihrem Leben nennen können, wo sie sich für und vom Frieden haben inspirieren lassen. Auch davon könnt Ihr nachlesen – und ihr könnt diese Menschen befragen, wo ihre Leidenschaft für den Frieden erwacht ist: Etwa als in der jungen Bundesrepublik die Frage aufbrach, ob Deutschland sich wieder eine Armee aufbauen und wiederbewaffnen solle. Oder Anfang der 1980er-Jahre, als die deutsch-deutsche Grenze auch der Eiserner Vorhang zwischen den Weltmächte USA und UdSSR war. Im damaligen Wettrüsten ging es um die Frage nach der Stationierung von Pershing II-Raketen in Deutschland. Das waren Raketen mit atomaren Sprengköpfen. Nicht gerade jugendfrei war damals die Parole der Friedensbewegung: „Petting statt Pershing!“ Das war aber eine Aussage!

 

Ich war damals zwölf Jahre alt – und habe, ehrlich gesagt – bis heute keine Meinung zum sogenannten Nato-Doppelbeschluss, um den es ging. Es war noch nicht meine Zeit, wo mich die Frage nach dem Frieden unmittelbar traf.

Das war für mich 1991: Golfkrieg: Einmarsch amerikanischer Truppen nach Kuwait, das vom Irak überfallen worden war. Ich weiß noch, dass alle Oberstufenschüler und unsere Lehrer damals in unserer Schulaula zusammenkamen. Wir haben emotional debattiert, Lehrer und Schüler: Ist der Angriff legitim? Geht es vorrangig um Öl? Ich war gegen diesen Krieg.

Auch im kirchlichen Kontext fand ich Mitstreiter, die nicht mehr über den „gerechten Krieg“ nachdachten – also nicht mehr vorrangig danach fragten, unter welchen Umständen ein Krieg gerechtfertigt sein könnte (in meinen Augen ist es kaum möglich von einem „gerechten Krieg“ zu sprechen!). Vielmehr fragten wir uns, wie „gerechter Friede“ möglich wird: Wie kann man der zivilen Konfliktbewältigung Vorrang haben? Wie kann man wirtschaftliche Entwicklung fördern? Wie kann man frühzeitige Krisenintervention entwickeln, damit Krieg gar nicht erst ausbrechen? –

Längst haben wir ja gemerkt, dass es eigentlich kam noch Kriege auf der Welt zwischen zwei Staaten gibt, die mit Panzern aufeinander los gehen. Heute finden militärische Konflikte statt zwischen Bürgerkriegsparteien, durch extremistische Religionsgruppen, zwischen bezahlten Warlords wie in Afrika, die dort die Macht übernehmen, wo die Rechtsstaatlichkeit von Staaten verloren gegangen ist. Oder umgekehrt führen Staaten den „Krieg gegen den Terror“ gegen einzelne Gruppen. Man könnte von einer „Privatisierung der Gewalt“ (Erhard Eppler). Wenn das so ist, dann braucht es heute recht Lösungen jenseits des klassischen Krieges!

 

 

III.

Ich will damit nur sagen: Es gibt immer wieder Momente, auch heutzutage!, an denen sich die Leidenschaft für den Frieden entzünden kann und wird. Ich finde, auch dazu dient diese Ausstellung – und es ist gut, dass wir hier und heute nicht darüber reden, dass sich die Bundeswehr mit ihren Unterrichtseinheiten Zugang zu den Klassenzimmern verschafft, sondern dass es – wie schon einmal in den 1980er-Jahren hier im Burggymnasium – die Friedensbewegung ist, die in die Schule geht. Das steht einer Europaschule sehr gut zu Gesicht!

Themen für wache und kritische Geister gibt es genug – und die Antworten sind nicht einfach. Aber die wichtigen Fragen zu stellen, ist so wichtig – und ich hoffe, Eure Lehrer geben Euch den Raum dafür: Warum ist Deutschland drittgrößter Rüstungsexporteur der Welt? Was bedeutet der Ukraine-Konflikt für den Frieden in Europa? Welche Rolle spielt Deutschland und die Bundeswehr in weltweiten Konflikten?

Oder schlicht die Frage für den Religionsunterricht: Gibt es eine Rechtfertigung für Krieg? Oder mal andersherum gefragt: Kann man den Frieden lernen? Und wenn ja, wie?

 

IV.

Ich wünsche Euch und Euern Lehrern, dass Ihr wahrnehmt, was an Leidenschaften für den Frieden hier dokumentiert ist und Euch für die eigene Auseinandersetzung geschenkt wurde! Sucht den Kontakt zu den Gesprächspartnern, die diese Ausstellung initiiert haben! Als Kirche sind wir seit langem mit im Gespräch! Beteiligt Euch an dem Preisausschreiben, wie Frieden heute konkret aussehen könnte!

Denn eins ist klar: 100 Jahre Friedensarbeit – das geht über eine Generation hinaus. Leidenschaft für den Frieden wird vererbt! Muss für jede neue Zeit neu interpretiert und konkretisiert werden.

In der Satzung der UNESCO (Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur) von 1946 steht: „Kriege haben ihren Ursprung im Geist des Menschen und daher muss der Schutz des Friedens gleichfalls im Geist des Menschen errichtet werden.“

So wünsche ich allen Beteiligten an dieser Ausstellung diesen guten Geist, der – das sage ich als Pfarrer mit dem Blick auf unser Pfingstfest am Sonntag – nur zu Teilen vom Himmel fällt. Zu anderen Teilen kann er aber vom Menschen selbst erarbeitet und erkämpft werden!