Dann geht der Mensch an die Arbeit

Dann geht der Mensch hinaus / an seine Arbeit und an sein Werk / bis an den Abend. (Psalm 103,23): Wirklichkeit oder Utopie? Der Herzschlag unserer Gesellschaft ist Arbeit. Genauer: die Erwerbsarbeit. „Wir“ definieren uns darüber: Was oder wo arbeitest du? „Wir“ ernähren damit uns und unsere Familien.

Impuls zur Eröffnung des neuen Standorts der Umweltwerkstatt Datteln (2023)

Aber wer ist das „Wir“? – Auch in Zeiten des Arbeitskräfte-Mangels gibt es Menschen, die aus unterschiedlichsten Gründen nicht oder nur schwer auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Fuß fassen. Sie sind in der herkömmlichen Sicht „raus“, und damit jenseits der Welt, über die sich alle anderen definieren.

 

Hier aber nicht! Hier, sinnbildlich in diese Halle, gehen auch Menschen ohne Arbeit an „ihre Arbeit und ihr Werk“: Sie bekommen Beschäftigung und Qualifizierung angeboten.

 

Das ist eine Wirklichkeit. Das ist Sozialgesetz. Dass wir es als Diakonie so anbieten, hat aber auch mit dem biblischen Verständnis vom Arbeit und vom Menschen zu tun:

  1. (eine schlichte, aber wichtige Selbstverständlichkeit:)

Es handelt sich bei Arbeitssuchenden um Menschen. Im biblischen Schöpfungsbericht ist Gott selber werktätig und schafft – übrigens allein durch sein Wort. Gott überträgt den Auftrag, die Erde zu bebauen und bewahren an den Menschen. Das unterscheidet den Menschen von allen anderen Geschöpfen – nicht dass er die Krone der Schöpfung wäre in dem Sinne, dass er die Schöpfung plündern und beherrschen dürfte, sondern: Der Mensch hat Fähigkeiten und Freiheiten, mit seiner Arbeit etwas zu schaffen, zu bebauen und bewahren. So Psalm 104: Wenn aber die Sonne aufgeht, legen sich die Tiere in ihren Höhlen. Dann geht der Mensch hinaus an seine Arbeit.

 

Zum Wesen des Menschen gehört die Arbeit. Arbeitsförderung heißt: Menschen zu dem zu bringen, was sie ausmacht und teilhaben lässt.

 

Von der Schöpfung her gedacht ist Arbeit weit mehr als der gottgefällige Priesterdienst und mehr als die postmoderne Erwerbsarbeit. Überall dort, wo der Mensch schöpferisch tätig ist, ist Arbeit: in den Familien, ehrenamtlich im Verein – oder um im Bild der Schöpfung zu bleiben – bei der Gartenarbeit …

 

 

 

II.

  1. biblische Grundlegung: Arbeit macht Mühe („Mühsal“): „Im Schweiße deines Angesichtes sollst du dein Brot essen“ (1. Mose 3,17-19), heißt es im 2. Schöpfungsbericht, nicht als Strafe an sich, sondern als logische Folge der Vertreibung aus dem Paradies.

 

Als Protestant kann ich mich kaum unserer Tradition entziehen, dass das Leben am Ende – „wenn’s köstlich gewesen ist, Müh und Arbeit gewesen ist“ (Psalm 90).

 

Daher lebe ich aber auch mit der Annahme, dass viele, die es nicht können, arbeiten wollen, selbst wenn es Mühe macht. Wie schlimm, dass in der Debatte ums Bürgergeld sich wieder das allgemeine Misstrauen festsetzte, dass der der Mensch morgens lieber liegen bleibt als arbeiten zu gehen.

 

Selbst wenn der Fallmanager im Jobcenters unterschiedliche Erfahrungen macht und die Anleiterin in der UW hin und wieder enttäuscht wird: Letztlich geht es um die Kunst, immer wieder neu und jeden Tag Zutrauen in jeden einzelnen Menschen zu setzen und ihn zu fördern. Insofern tut auch der Sozialstaat auch gut daran, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Wegen unseres Menschenbildes haben wir als Kirche und Diakonie den Vestischen Appell miterneuert und wissen ein breites gesellschaftliches Bündnis an unserer Seite.

III.

  1. biblische Grundlegung: Arbeit ist ein Dienst. Es arbeiten hier für die Diakonie viele Menschen, deren Aufgabe es ist, Maßnahmeteilnehmende zu begleiten: ihnen – hoffentlich arbeitsmarktnahe – Arbeitsschritte beizubringen. Aber eben sie so zu stärken, dass persönliche Hemmnisse geringer werden, Arbeit zu finden.

 

Die Erwerbsarbeit unserer MA ist ein diakonischer Dienst: Sie stehen an der Seite von Menschen, die im herkömmlichen Blick „außen vor“ sind.

 

Insofern ist das Psalmwort „Dann geht der Mensch hinaus / an seine Arbeit und an sein Werk / bis an den Abend“ nicht nur eine Wirklichkeit an diesem Ort, weil wir hier mit Partnern und Kostenträgern zusammen Beschäftigung schaffen.

 

Sondern das Wort ist auch im besten Sinne eine Utopie, an der wir durch den Dienst unserer Mitarbeitenden festhalten:

 

 

 

  • Behaltet einen wachen Blick dafür, wie wir in unserer Gesellschaft „Arbeit“ definieren und womöglich auch verengen, und wie wir Arbeit gerechter organisieren können!
  • Achtet (auch wenn es hier um Erwerbsarbeit geht) die Mühe von Menschen in den Familien und – unbezahlt – im Gemeinwesen!
  • Tut was dafür, dass gesundheitliche und private Sorgen („Vermittlungshemmnisse“) nicht dauerhaft von Erwerbsarbeit ausschließen.
  • Glaubt an die Geschöpflichkeit und Schaffenskraft des Menschen: Jede und jeder kann etwas!

 

Hier in dieser Halle mögen uns beides über den Weg laufen: dass es schon so ist und sich viele um die nächsten Schritte mühen: dass nämlich „der Mensch hinausgeht an seine Arbeit und an sein Werk / bis an den Abend“ – oder wann auch immer hier (nicht nach den biblischen Vorstellungen, sondern) nach den heutigen Arbeitszeitgesetzen Feierabend ist. Amen.