Kirche aus Gesegneten und Segnenden

Wie sind wir in diesen Woche Kirche? Was macht unsere Gemeinschaft aus? Die Gemeinden konnten sich wochenlang nicht treffen und nicht wie gewohnt Gottesdienst feiern – allen online-Angeboten zum Trotz. Virologen sind gefragt, und versuchen die drängenden Fragen über unser Leben zu beantworten. Die Kirchen werden gar ungewohnt scharf kritisiert, wo sie denn gewesen wären. Haben wir etwas versäumt? Haben wir etwas Unverwechselbares verloren?

Predigt – Lutherkirche Altena

Trinitatis Lutherkirche Altena #Num 6,22-27 Segen

Wie sind wir in diesen Woche Kirche, und was macht unsere Gemeinschaft aus? Augenscheinlich ja nicht, dass wir uns an alten Fragen abarbeiten, sagt auch der katholische Bischof Georg Bätzing für seine Kirche. Irgendwie tun wir das heute morgen: Wie verhalten sich Gott, Sohn und Heiliger Geist zueinander? Wie ist Gottes „Einheit in Dreiheit“ denkbar, wo jedes i-Männchen weiß, dass – zumindest in Mathe – dreimal eins niemals eins ist…

 

Wie sind wir in diesen Woche Kirche und was macht unsere Gemeinschaft aus?

 

II.

Ich lese den Predigttext: 4. Mose 6,22-27:

 

22 Und der HERR redete mit Mose und sprach:

23 Sage Aaron und seinen Söhnen und sprich: So sollt ihr sagen zu den Israeliten, wenn ihr sie segnet:

24 Der HERR segne dich und behüte dich;

25 der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig;

26 der HERR hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.

27 So sollen sie meinen Namen auf die Israeliten legen, dass ich sie segne.

 

Der aaronitische Segen in seinem Erzählzusammenhang: Das Gottesvolkes wandert durch die Wüste, immer wieder gefährdet auf dem Weg ins verheißene Land.

 

Gott geht hier in Beziehung: Er sagt Aaron und Mose, wie sie den Segen weitersagen sollen. Und Gott segnet selbst, indem er den Blick hebt und sein Gesicht zeigt, sein Antlitz leuchten lässt. Gott: ein „Entgegenblickender“, voller Liebe und Aufmerksamkeit für den Menschen.

 

Fast immer liegt im Segen Gottes ein Auftrag für den Menschen: In der Schöpfungsgeschichte soll der gesegnete Mensch die Erde bebauen und bewahren. Abraham verspricht er: „Ich segne dich“, um dann hinzuzusetzen: „Und du sollst ein Segen sein.“ – Aaron und Mose sollen mit Gottes Worten ihr Volk segnen. Nicht mehr und nicht weniger, und damit eine Verbindung, eine Beziehung herstellen zu Gott und seinem Versprechen: Ich bin für dich da.

 

III.

Ich finde nicht, dass dieser jüdische Segen aufgrund seines Dreiklanges– Gott behüte dich, Gott sei dir gnädig, Gott gebe dir Friede – auf den dreieinigen Gott weist. Der Segen Aarons und Moses gehört ganz Israel, und wir als Kirche haben ihn uns aus der Hebräischen Bibel nur geliehen. Ich nehme das selber sehr genau und schlage über diesen Segen am Ende des Gottesdienstes nie ein (christliches) Kreuz.

 

Aber wenn ich im aaronitischen Segen entdecke, dass Gott in Beziehung geht, ein liebevoller Entgegenblicker ist und nicht bei sich bleibt – dann schließt mir dies die christliche Rede von einem dreieinigen Gott neu auf. Gott ist geht in Beziehung als Schöpfer, Geschöpf und Geistkraft, zu den Menschen und sogar zu sich selbst. Dadurch bleibt Gott kein unbeschriebenes Blatt oder die immergleiche Person, sondern ein wandelbarer, dynamischer Gott. Er kann mir unterschiedlich sein Antlitz zuwenden. Er existiert in verschiedener Gestalt zu.

 

Der barmherzige Gott

stärke dich durch seinen Heiligen Geist,

er erhalte dich in der Gemeinde Jesu Christi

und bewahre dich zum ewigen Leben.

 

So heißt der alte – trinitarische – Taufsegen: Es fließt der Segen eines barmherzigen Vaters, der Segen Jesu Christi durch seine Gemeinschaft, der Segen des Geistes durch die Bewahrung meines Lebens bis in Ewigkeit.

 

Bei einer Taufe im Kindergottesdienst segne ich im Namen Gottes, wie ein Haus, das Dich beschützt, wie der Weg, der ins Freie führt, wie der Freund, der immer ehrlich bleibt.

 

Wir brauchen solche Bilder für Gott, gerade um uns kein Bildnis von ihm zu machen, mit dem wir Gott für uns festlegten.

 

In solchen Bildern, in der Vorstellung eines dreieinigen Gottes, kann ich offen bleiben für seinen Segen, für Gottes unterschiedlichen „Beziehungsversuche“ mir gegenüber.

 

Nicht gegen das Erste Testament, sondern vom Gedanken des beziehungshaften Gott her, kann ich sagen:

 

  1. Ich bin gesegnet von Gott-Vater, dem Schöpfer:

 

Er sendet Tau und Regen

und Sonn und Modenschein /

und wickelt seinen Segen /

gar zart und künstlich ein.

 

  1. Ich bin gesegnet von Jesus, dem Christus, den Gott-Vater selber segnet bei seiner Taufe. Jesus segnet später mit parteilichen Worten die Kinder; er legt Kranken die Hände auf und heilt sie. Sein Segen stiftet Gemeinschaft:

 

„Komm, Herr, segne uns,

dass wir uns nicht trennen /

sondern überall, uns zu die bekennen.

 

  1. Ich bin gesegnet vom am Heiligen Geist, den Jesus als Tröster für die bangen Jünger verheißt. Der Geist von Pfingsten hat seine segnende Kraft, als Jesus zum Himmel aufgefahren ist und nicht mehr selbst die Menschen anrühren und berühren kann.

 

Der Heilige Geist bewirkt Segen ohne Anfassen, mit Mindestabstand, universal – eigentlich wie beschaffen für Corona-Zeiten: Orientierung in schweren Zeiten, den Mut, den Weg nicht aus dem Blick zu verlieren, und ganz praktisch das Zutrauen für seine Kirche: Ein Segen, heute gesprochen auf Abstand, ohne Handauflegen und Berührung, bei einer Trauung oder einer Taufe oder auch bei einem online-Gottesdienst – der wird durch den Geist seine Wirkung nicht verfehlen!

 

Güldner Himmelsregen /

schüttle deinen Segen /

auf der Kirche Feld /

lasse Ströme fließen

die das Land begießen /

wo dein Wort hinfällt.

 

IV.

Wir selbst und viele andere Menschen brauchen in diesen Wochen ein tröstendes und aufmunterndes Wort: dass ihnen „etwas Gutes gesagt“ ist – so die wörtliche Übersetzung des griechischen Wortes für „Segnen“.

 

Wir sind ganz Kirche, wenn wir segensreich werden, so segensreich wie Gott lebendig und vielfältig selber segnet.

 

Wir können etwas tun und lassen, können etwas sagen und Sätze finden, leise, kurze, vollmundige wie den Satz: „Alles wird gut“ – auch wenn das ein Musiktitel des Rappers Bushido ist und die langjährige Verabschiedung von Nina Ruge im Stern-TV.

 

Ja, es darf auch ein Satz wie „Alles wird gut“ sein. Er wird schnell zum gefährlichsten Satz einer Predigt, weil man die Faktengläubigen gegen sich hat und Erfahrungen ihm entgegenstehen.

 

Aber wir dürfen wir beim Segnen mehr sagen, tun und hoffen, als wir selbst verantworten können:

 

„Gott segne unseren Ausgang [aus diesem Leben]

und unseren Eingang [in das ewige Leben]

von nun an bis in Ewigkeit.“ (Ps 121)

 

So lautet die „Aus-Segnung“ am Lebensende. Gott überwindet sogar die Grenze zwischen Leben und Tod. Wenn ich so segne, möge Gott es verantworten: Aber der Mensch wäre nicht bei Trost, wenn er es nicht am offenen Grab ausspräche…

 

V.

Wie sind wir in diesen Woche Kirche und was macht unsere Gemeinschaft aus? –

 

Wo das Feuilleton die Kirche schadenfroh als nicht mehr systemrelevant abschreibt, wo die einen Kirchenleute sich reflexartig rechtfertigen für die ach so schwierigen Bedingungen und die anderen mürbe werden wegen der Kritik an ihrem nicht gewürdigten Engagement – wo das die Lage der Kirche ist, da geht es doch genau um diese Frage: Sind wir die Gemeinschaft der Gesegneten und der Segnenden?

 

Bewirkt der Entgegenblicker, dieser dynamische, vielfältig beziehungshafte Gott, dass wir unseren Blick auf unsere Nächsten werfen und einander zum Segen werden?

 

Alles andere wird daraus neu entstehen.

Oder darf unwichtig werden.

Amen.

 

Kanzelsegen:

Herr, wir bitten: Komm und segne uns;

lege auf uns deinen Frieden.

Segnend halte Hände über uns.

Rühr uns an mit deiner Kraft.