Was ziehe ich an? (Predigt Einführung GemeindeSchwestern zu Kol 3,12-17)

Was ziehe ich an? An einem Tag, an dem einige von uns eingesegnet werden als GemeindeSchwester? – Für Euch stellt sich ja nicht mehr die Frage nach dem äußerlichen Kleid, nach einer Schwesterntracht oder dem Häupchen, auch wenn die alte Tradition in der Form der Brosche noch angedeutet ist.

Predigt – Diakoniewerk Witten

Sonntag Katante / Einsegnung der GemeindeSchwestern

#Kol 3,12-17

 

Was ziehe ich an? An einem besonderen Tag wie dem Sonntag zum Gottesdienst?

 

Der Predigttext für den Sonntag „Kantate“ gibt eine treffliche Antwort, beschreibt eine Kleiderordnung für Christinnen und Christen auch für den Alltag und für Dienst in einem Diakoniewerk. Die Kleiderordnung aus Kol 3 lautet so:

 

12So zieht nun an als die Auserwählten Gottes, als die Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld; 

13und ertrage einer den andern und vergebt euch untereinander, wenn jemand Klage hat gegen den andern; wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr!  

14Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit.  

15Und der Friede Christi, zu dem ihr auch berufen seid in einem Leibe, regiere in euren Herzen; und seid dankbar. 

 

Ich möchte Euch als Auserwählte, als Heilige und Geliebte direkt ansprechen – sei es weil Ihr durch die Taufe mit Jesus, dem Christus, so eng verbunden seid, als hättet Ihr ein Kleidungsstück übergezogen. Sei es, weil Ihr GemeindeSchwestern gleich eingesegnet werden in eine Gemeinschaft hinein, die leben, dienen und glauben möchte.

 

Dazu braucht man das, was diese großen Begriffe aus dem Ko, quasi große einzelne Kleidungsstücke, was sie sagen und was sie eben nicht sagen:

  • Herzliches Erbarmen – statt notorisches Rechthabenwollen,
  • Freundlichkeit – statt rationales Kalkulieren, welcher Mensch mir etwas bringt,
  • Demut – und nicht Mittelpunkt der Welt sein müssen
  • Sanftmut – statt die schnell verlodernde Leidenschaft
  • Geduld – weil Gras nun mal nicht wächst, wenn man dran zieht…

 

Über alles – über alles die Liebe als Band der Vollkommenheit! – Um im Bild der Kleiderordnung zu bleiben: als eine Art Schärpe um alle großen Kleidungsstücke herum. Um alles zusammenzuhalten.

 

II.

Damit ist alles gesagt. Wunderbare Worte für einen Sonntag und eine Einführung, für eine diakonische Gemeinschaft und gegenüber Gott. (Und bis hierhin geht der Abschnitt aus Kol 3, den wir üblicherweise zur Trauung einem Brautpaar lesen.)

 

Auf die Frage, „was ziehe ich an“ folgt im Kol die Frage „Wer zieht mich an?“

 

Wer ist der Grund? Was ist das Fundament, dass uns – vor allem in diakonischen Zusammenhängen – die großen Kleidungsstücke wie Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld nicht in Stücke reißen?

 

In den Kirchengemeinden sind die Ansprüche groß, die Erfordernisse wachsen, die Kräfte sind endlich und werden oft geringer. Für manche Zeitgenossen sind diese großen Kleidungsstücke antiquiert, und womöglich werden wir belächelt dafür: Kommen Sie mal mit Demut oder Sanftmut an …

Aber doch zeigen Bürger und Verbände in der Flüchtlingsarbeit, welche Kraft ethischen Haltungen entfachen können, die von sich selbst absehen, die in Beziehung bringen mit Anderen. Aber auch hier spüren viele Ehrenamtlichen ihre Grenzen.

 

Wer zieht mich also an?

Wo kommen die Kraft und auch die Orientierung her?

Warum bemühen wir uns für andere (und auch untereinander) um Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut und Geduld?

 

16Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen.

(Jahreslosung 2009)

 

Der gesamte Kol spricht immer von Christus: als der Erste der Schöpfung, als Haupt der Gemeinde. Als Diener: Weil er Diener war, können wir seine Dienerinnen und Diener sein.

 

Die Evangelien berichten es: (Mt 9,35ff.): „Jesus ging ringsum in alle Städte und Dörfer, lehrte in ihren Synagogen und predigte das Evangelium von dem Reich Gottes und heilte alle Krankheiten und alle Gebrechen. Und als er das Volk sah, jammerte es ihn; denn sie waren verschmachtet und zerstreut wie die Schafe, die keinen Hirten haben.”

 

Oft spricht die Bibel vom Wort Gottes, hier ist es dezidiert das „Wort Christi“. Das alles steht für das Wort Christi: Denn „Wort“ meint viel mehr als das gesprochene Wort. Es meint Jesu Versprechungen und Verheißungen; es meint die Jesu Art, wie er Menschen neu Hoffnung machte, ihnen neue Lebenswege ermöglichte.

 

Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen.

Wir sind alle Eins in Christus (Kol 3,11).

 

Wie ein Brennpunkt bildet das den Mittelpunkt des Predigttextes – und allen diakonischen Handelns und des Arbeitens und Lebens im Diakoniewerk.

 

Ich weiß durch die GemeindeSchwester aus meiner Heimatgemeinde, wie persönlich bereichernd es ist, nach in Gemeinschaft nach den Grundlage des Glaubens zu forschen. Wie wichtig ein Fundament ist, um dann für andere da sein zu können. Um nicht nur einfach zu tun und zu machen, sondern es aus der christlichen Gemeinschaft heraus sich einer Aufgabe zu widmen, in der man getragen wird von anderen. Und wo man sich gemeinsam vergewissert, dass man bei Gott selber geborgen ist.

 

Das ist ein großer Schatz, und womöglich ist das auch den Menschen in Kolosää so vor Augen gewesen.

 

Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen.

Lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit; mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen. 

 

Im Singen und in den Dankliedern liegt wohl der Zusammenhang zum Sonntag „Kantate“. Aber vor allem liegt darin die Brücke zwischen dem Glauben und dem Tun, zwischen dem diakonischen Auftrag, den man anderen tut, und dem gemeinsamen (auch geistlichen) Leben: Bei Ihnen wird ja tüchtig gesungen.

 

17Und alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn.

 

Es ist wie ein große Zusammenfassung – und jetzt könnte die Predigt hier enden. Aber mir fehlt noch ein Gedanke nach der Frage, was wir anziehen und wer uns anzieht.

 

III.

Was ist an uns anziehend?

Was haben und können wir besonders gut?

 

Für mich ist es das Trösten.

 

Lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit.

 

„Mahnen“ heißt wörtlich „trösten“.

Lehrt und tröstet einander in aller Weisheit…

 

Ihr werdet gleich eingesegnet unter der Jahreslosung aus Jes 66: „Gott spricht, ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“

 

Getröstet werden – das bedeutet: ein Mensch erlebt in seinem Leid oder seiner Not Geborgenheit.

Trösten – das bedeutet: einem Menschen Geborgenheit bieten.

 

Ich meine, dass der Trost etwas besonders Wertvolles ist, was wir der Welt geben können.

 

Denn der Trost passiert zwischen Menschen, ganz diakonisch und heilsam.

Trost ist für mich immer verbunden mit Gott oder die lebendige Beziehung zum Wort Christi; und damit ist er immer weit mehr als reine Humanität.

 

Trost kämpft gegen das Resignative und führt immer über das Sichtbare hinaus.

 

Trost hat Kopf und Fuß:

„Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben?” So lautet die erste Frage im Heidelberger Katechismus der Reformierten. Die Antwort: „Dass ich mit Leib und Seele im Leben und im Sterben nicht mir, sondern meinem getreuen Heiland Jesus Christus gehöre.”

 

Als Vikar hatte ich die Sorge, dass Angehörige mich darum bitten würden, doch auf der Beerdigung nicht zu singen. Weil kaum einer mitsänge. Weil man unsicher sei. Beim ersten Mal verabredeten, dass ich zumindest ein Lied aussuchen wollte. Okay, schaden könnte es ja nicht.

Keiner hatte an eine entfernte Verwandte der Verstorbenen gedacht, eine alte Diakonisse aus Hamburg. Sie war alt, blind und betrübt. Sie und ich sagen mehr oder weniger alleine aus „Abend ward , bald kommt die Nacht“ – und ihr Blick hob sich und ihr Gesicht wurde voll und lebendig, als dort hieß:

„Wenn dein Aug ob meinem Wacht, / wenn dein Trost mir frommt „ weiß ich, dass ich auf gute Nacht / guter Morgen kommt.“

 

Passend zum Sonntag Kantate, zur Jahreslosung und zu Euerm / unserem gemeinsamen Dienst: Lasst uns doch den Trost auch zu den Kleidungsstücke nehmen. Amen.