EspressoGedanke: Passionsgeschichte unter Kontaktsperre


Wie wäre die Passionsgeschichte Jesu abgelaufen bei einem generellen Kontaktverbot? Einzug in Jerusalem ohne Bevölkerung, die Palmzweige streut?

 

Ohne Hohepriester, die schon vor dem Passafest in die Stadt gereist sind und Pläne schmieden…?

Ohne das Volk, das „Kreuzige ihn!“ ruft…

 

II.

Es ist auch mehr als Gedankenspiel.

Ich lese die Leidensgeschichte neu in diesen Tagen, fast sehnsüchtig: Welch innige Begegnungen entdecke ich dort neu:

Eine Frau salbt Jesus mit kostbaren Ölen.

Simon von Kyrene trägt Jesus das Kreuz.

Ein Hauptmann erblickt im sterbenden Jesus plötzlich Gottes Sohn.

 

Umgekehrt kann Nähe auch trügerisch sein:

Eng kauern die Jünger beim Letzten Abendmahl zusammen – und der Verräter sitzt mittendrin.

Ein Kuss bei der Gefangennahme – eigentlich drückt er Zuneigung aus, hier: Verrat!

 

Ich entdecke auch Einsamkeit in der Leidensgeschichte Jesu:

Jesus betet verzweifelt im Garten Gethsemane – allein: Die Jünger schlafen.

Und natürlich: Jesus am Kreuz – von Gott und der Welt verlassen – betrauert von den Frauen, während die Jünger über alle Berge sind.

 

III.

Es beginnt die Karwoche.

Das ist die Woche, wo auch in der evangelischen Kirche – normalerweise – fast täglich Abendmahl gefeiert wird. Das geht in diesem Jahr aus nachvollziehbaren Gründen nicht. Und es schmerzt: Wann überhaupt einmal sind Ostergottesdienste ausgefallen?

 

Ihr sucht Jesus. Er ist aufgestanden. Hier ist er nicht, sagt der Engel am Grabeingang zu den Frauen am Ostermorgen. Da rutscht alles weg – und kehrt sich doch in Freude und Zuversicht.

Seit dem ersten Ostern feiert die Christenheit den Auferstandenen. Er ist nicht mehr anfassbar und berührbar wie zuvor, aber gegenwärtig, lebendig und wirksam: Das „begreift“ der ungläubige Thomas, der Jesus noch einmal berühren darf. Das erleben die Emmaus-Jünger, als sich ihnen ein unbekannter Weggefährte anschließt. Als dieser abends mit ihnen Brot und Kelch teilt, ist der Auferstandene mitten unter ihnen.

 

Das Kreuzesgeschichte geht einher mit einer schmerzhaften „körperliche Distanzierung“. Mit Ostern bleibt sie aber keine social distance, keine „soziale Distanz“.

Wir werden wieder echte Gemeinschaft untereinander feiern: Gottesdienste, mit Abendmahl. Wie es in der Bibel lautmalerisch heißt: Den Bissen in die gleiche Schüssel tauchen.

Aber auch bis dahin bleiben wir miteinander verbunden: untereinander im Geist. Durch den Auferstanden auch mit Gott, dem ewig Kontaktfreudigen.