Nach dem Flugzeug-Absturz (Ostern 2015 zu Mt 16 mit Ps 88,11)

Endlich Ostern! Moment der unverstellten Freude: Ahnung, dass das Leben siegt, die Hoffnung des Lebens groß ist.

Predigt – Lutherkirche

Ostersonntag

#Mk 16,1-8 mit #Ps 88,11

Taufe von J.O.: einfach nur Dankbarkeit und Freude über einen neuen Erdenbürger, der wunderbar gemacht ist!! / Wunschkind, „ein Junge“, gesund, der durchschläft und ganz wenig weint und schreit … Das perfekte Glück!

 

  • …“nach sieben Wochen ohne“ was auch immer: Fasten, verzichten, Leben überdenken und verändern
  • für liturgische Feinschmecker: Endlich wieder die volle Liturgie…

 

  • tiefe Sehnsucht nach Leben und Heilsein! („Wir wollen alle fröhlich sein – in dieser österlichen Zeit!“ – Vielleicht auch eine Osterpredigt, die nicht wieder problematisiert …)

 

II.

Auf Knopfdruck gibt es Ostern eher selten!

In diesem Jahr mischen dunkle Töne mit ein; die Stimmung ist gedrückt wegen des Flugzeugabsturzes in den Alpen – und allen weiter offenen Fragen, die auch bestehen bleiben, wenn die Absturzursache geklärt ist.

 

Die Frage beginnen fast immer mit „Warum“ beginnen.

 

Diese Fragen rufen uns als Christinnen und Christen auch heraus – auch an Ostern, gerade an Ostern, wenn es wirklich das Fest der Hoffnung gegen alle Traurigkeit, das Fest des Lebens gegen den Tod sein soll, auch das Fest, an dem Gott Recht spricht gegen alles Unrecht. Denn sein Sohn starb unschuldig, und er erweckte ihn am dritten Tag.

 

Welche Worte finden meine Amtsbrüder heute in Haltern, was predigen die Notfallseelsorgerinnen, die bis zur eigenen Erschöpfung zugehört und mitgetrauert haben und selber nach Worten gerungen haben?!

 

Wie groß ist die Versuchung, Ostern einfach mal ausfallen zu lassen?! Sich diesen in jeglicher Hinsicht schwierigen Bogen vom Karfreitag zum Ostersonntag mal auszusparen?!

 

Oder schärft sich unser Blick, auf Ostern anders zu blicken, womöglich tiefsinniger, ohne dass wir mit vordergründiger Freude die Sorgen der Menschen übertönen, auch der Menschen, die hier rechts und links neben uns sitzen können, die nicht einfach nur ein „Endlich Ostern“ hören wollen…

 

Die biblische Geschichte macht uns Mut, dass es Ostern auf Knopfdruck nicht geben muss.

 

Schon die Ostergeschichte nach Mk endet alles andere als in großem Jubel, ich möchte sogar sagen: von Osterfreude ist da gar keine Spur!

 

„Und sie fürchteten sich sehr!“ – so endet die Geschichte der Frauen, die zum offenen Grab kommen und Jesus nicht finden.

 

Da scheint schon zur biblischen Zeit so verstörend gewesen zu sein, dass Matthäus und Lukas ihren Ostererzählungen einen helleren Klang haben; und dass an das MkEv noch ein späterer Schluss geschrieben wurde, der den Auferstandenen bei den Seinen erscheinen lässt.

 

Mit der Furcht und Entsetzen sollte die Osterbotschaft wohl nicht enden …

 

Aber warum eigentlich nicht?!

 

Warum darf Ostern – so wie es bei den Frauen am Grab war! – nicht die räumliche und zeitliche Nähe zum Tod und zum Leid haben? Warum darf Ostern nicht eng verknüpft sein mit dem Entsetzen über das schier Undenkbare? Für die Frauen ist es mitten in der Trauer schier undenkbar, dass selbst der Leichnam Jesu nicht mehr da ist?! Nicht mal mehr das … (Wir sind schon wieder bei den Bildern dieser Tage…)

 

Die Frauen am Ostermorgen sind noch eng mit den Geschehnisse am Karfreitag verbunden. Dem Jubelklang von Ostern, der später folgt, geht der Schmerz des Karfreitag voraus. Er ist nicht davon abzulösen.

 

III.

Förderschule: Kreuzweg Jesu

Auferstehung.

Mühe gegeben, aber es ging alles sehr schnell: schwer, zu verharren, sowohl beim Leid wie bei der Auferstehung.

 

Seltsame „Pein“: „auferstanden am dritten Tage.“

Konfirmanden drehen diese Glaubensaussage am häufigsten um. Glaube, der verstehen will, ist herausgefordert!

 

  • Schon in der Ostergeschichte selbst: der ungläubige Thomas.

 

  • Schon zu Paulus Zeiten: für viele Zuhörer ist die Auferstehung ein Märchen oder verrückte Spinnerei.

 

Paulus rückt diese Glaubensaussage dennoch ins Zentrum des christlichen Glaubens: „Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist unsere Predigt vergebens, so ist auch euer Glaube vergebens.“ (1Kor 15,14)

 

Und wir sind an Ostern bei den immer wieder gleichen Fragen, die so schwer zu beantworten sind, wenn wir als postmoderne Menschen auch verstehen wollen, was wir glauben: Wie kann das mit der Auferweckung Jesu gewesen sein? Was ist passiert? Wie können wir das einordnen?

 

Adolf von Harnack, ein evangelischer Theologie des 19. Jhd.- schon er lenkte das Augenmerk gar auf die Frage, wie Jesus auferstanden sein könnte. Er schreibt:

 

„Wenn diese Auferweckung nichts anderes besagte, als dass ein erstorbener Leib von Fleisch und Blut wieder lebendig gemacht worden sei, so würden wir alsbald mit dieser Überlieferung fertig sein.“

 

Entscheidend und wirksam sei vielmehr der Osterglaube, der sich entwickelt habe: „Was auch immer am Grabe und in den Erscheinungen sich zugetragen haben mag – eines steht fest: von diesem Grabe her hat der unzerstörbare Glaube an die Überwindung des Tods und an ein ewiges Leben seinen Ursprung genommen. … Die Überzeugung, Jesus lebt, begründet noch heute die Hoffnungen […], die das irdische Leben lebenswert und erträglich machen.“

 

Mit Ostern steht und fällt für mich doch alles: Es geht um nicht weniger als um das Vorzeichen vor unserem gesamten Leben – mit allem, was uns widerfahren kann.

 

Ist das alles Entscheidende die begründete Hoffnung, dass das Leben siegt und sich durchsetzt – oder die Zerstörungsmacht des Todes?

 

Lässt sich der Tod überwinden – oder überwindet er uns?

 

Lassen wir uns irre machen durch das, was der Mensch dem Menschen antun kann? Oder sind Solidarität und Mitleid, Zusammenhalt und Trost so stark, dass die Menschen immer wieder zurückfinden dem, was – nach Harnack –das Leben „lebenswert und erträglich“ macht?

 

Der Osterglaube entscheidet über das Vorzeichen unseres Lebens. Der biblische Osterglaube zeugt davon, dass die Auferweckung Jesu dem Tod den Stachel genommen, also dem Tod den Nerv gezogen hat!

 

V.

Wir haben heute J.O. getauft. Sein Leben hat seit heute ein neues Vorzeichen: ist jetzt Christ, d.h. er gehört zu Jesus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen. Nichts soll und kann ihn von Christus trennen.

 

Das ist mehr als nur ein Segen und der fromme Wunsch, dass er gut behütet durchs Leben geht.

 

Bei Paulus wird man mit der Taufe so eng an Jesus Christus geschweißt, dass man – so klingt es etwas mystisch für unsere Ohren – mit Christus gestorben und auferstanden ist.

 

Es gibt nichts, was die Bindung zwischen Christus und dem Getaufte auflösen könnte, nicht einmal der Tod. Ich kann nicht vor Gott fliehen, sondern ich kann ihm nur danken, dass ich wunderbar gemacht bin. (Ps 139) Selbst wenn ich einmal sterbe, endet dies nicht am Vorzeichen vor meinem Leben.

 

VI.

Ostern ändert die Vorzeichen – auch für diejenigen, die verstorben sind. Das ist mir mit Blick auf die Flugzeugkatstrophe auch sehr wichtig.

 

Bei einer Gedenkandacht in Haltern, wo ich dabei war, las der Pfarrer den Klagepsalm 88: da betet einer in Todesnähe – und nachdem die Verlassenheit und Verzagtheit in aller Deutlichkeit beschrieben worden ist, kommt folgender Vers, der wie ein trotzige Bitte Gott entgegengeschleudert wird:

 

„Wirst du an den Toten Wunder tun?“ (88,11)

 

Ja, mit Ostern steht vor Augen, dass Gott auch an den Toten Wunder tut! Er tat das Wunder an Jesus, seinem Sohn. Es ist allen Toten versprochen.

 

Es geht den Menschen, die wir verlieren, gut, wo sie immer sie sind. Das ist ein Trost.

 

Der Tod soll nicht das letzte Wort haben, auch nicht über die 150 Toten der Flugzeugkatstrophe. So Gott will und kann: wirklich über die 150 Toten und nicht nur über die 149!

 

Gott vergisst die Toten nicht. Er schenkt ihnen Liebe und Treue in aller Ewigkeit.

 

Als Dietrich Bonhoeffer, der evangelische Theologe und Widerstandskämpfer, fast auf den Tag vor 70 Jahren von den Nazis umgebracht wurde, sagt er direkt vor seiner Hinrichtung:

 

„Das ist das Ende – für mich der Beginn des Lebens.“

 

So tiefgreifend kann Ostern Kraft und Hoffnung entwickeln, dass der Tod überwunden wird, auch der eigene Tod nicht die alles überstrahlende Macht über mich mehr haben muss.

 

Wirst du an den Toten Wunder tun?

 

Gott hält dieses Wunder bereit: für unsere Toten und unsere Lebenden:

  • seien sie unbeschwert und fröhlich wie unsere Tauffamilie;
  • seien sie traurig und entsetzt wie die Frauen am Grab,
  • -seien sie konfrontiert mit dem Leid und dem Tod, wie die Familie in Haltern.

 

VII.

Endlich Ostern. Es ist ein – buchstäblich – frommer Wunsch. Er braucht nicht gleich großen Jubel auslösen, er darf Zeit gebrauchen. Er braucht nicht als Triumpf daherkommen, sondern darf es auch als leiser Hauch, nicht mit Freudensprüngen, sondern vielleicht sogar zunächst mit Entsetzen.

 

Aber der Osterglaube der Frauen und der Jünger weist auf das neue Vorzeichen: Gott ließ seinen Sohn nicht im Tod. Ein Wunder an den Toten und an uns Lebenden – das ist die Aussicht!