Nichts ist ohne Klang (Kantoreijubiläum 2012 zu EG 165,4)

Majestätisch Wesen, /  möcht ich recht dich preisen / und im Geist dir Dienst erweisen. (EG 165,4) Eine Anbetung. Wie sollte das ohne die Musik gehen?

Predigt – Lutherkirche

Miserikordias Domini -Jubiläum Lutherkantorei Altena

Nichts ist ohne Klang

Wie wäre ein Halleluja, nicht in Töne gefasst?

Wie wäre Religion, ohne die Emotion, ohne die Motivation, ohne Rhythmus und Struktur, ohne den Atem, der durch uns Menschen hindurchgeht, die auch die Musik auszeichnet?

 

Religion und Musik – man könnte sagen: Szenen einer Ehe! Sie können nicht ohne einander!

Aber auch: Durch die Jahre auch oft auseinander gelebt, aber wieder zu einander gefunden: „Jahr der Kirchenmusik 2012“, Teil der road map auf dem Weg zum Reformationsjubiläum.

 

„Singen zum Lobe Gotte“ – Das ist Günter Treecks mehrfache Antwort auf den Sinn und Zweck, warum es eine Lutherkantorei geben sollte –und gab: 1972 gegründet, vom damals neuen Kantor, der in eine Gemeinde kam, in der die Chormusik mehr oder weniger brach lag, die Orgel auf dem letzten Loch pfiff, und der von Haus zu Haus ging, eben mit Anliegen: Das Lob Gottes soll zum Klingen gebracht werden. Kommt doch in die Lutherkantorei! Einst mit 12 Sängerinnen und Sängern, beim ersten Konzert 1973 in der Melanchthonkirche waren es schon 17. Mal waren es 40, aber eben immer mindestens 30 bis 35 – bis heute!

 

Mit wechselnder Heimat: Das Gemeindehaus an der Fritz-Thomä-Straße, ab 1987 das damals neu gebaute Lutherhaus.

 

Mit unglaublich viel Kontinuität: nur drei Leitende in vier Jahrzehnten: 26 Jahre Günther Treeck, selbst noch ehrenamtlich nach seinem Dienstende; gut 2 Jahre Dorothee Wohlfahrt (Stuttgart), seit 2000 schön Johannes Köstlin.

 

9 Denn wir sind Gottes Mitarbeiter; ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes Bau. (1Kor 3)

 

Das Priestertum aller Glaubenden drückt sich in besonderer Weise darin aus, dass Ihr die Frohe Botschaft, das Evangelium singt – und damit Euch und der ganzen Gemeinde auslegt. Die Verkündigung ist eben nicht nur gesprochenes Wort, sondern auch gesungenes Wort! Seit der Reformation. In Soest, meiner Heimatstadt, sagt man, dass die Gemeinde in der Gegenreformation den evangelischen Gottesdienst rettete, indem sie sonntags so lange und ununterbrochen Choräle sang, bis wieder der evangelische Pfarrer auf die Kanzel durfte… Priestertum, Mündigkeit aller Gläubigen – zur Ehre Gottes!

 

II.

Bei Paulus heißt es an einer Stelle im 1Kor 14 über das Wort Gottes: „Nichts ist ohne Klang“, ohne „Phon(os)“. Keine biblische Botschaft, die nicht besonders klingt – nicht nur für die Hörerinnen und Hörer, sondern vor allem auch erst einmal für den Chor selber.

 

Ihr bringt Ihr heute zum Klingen, was Euch lieb und wichtig geworden ist.

 

Wenn ich in den letzten Wochen und Tagen Chorsängerinnen und Chorsänger gefragt habe, was das besonders Reizvolle und Schöne an einer Kantorei wäre, war die Antwort fast unisono: dass biblische Texte einen Klang erhalten. – Und wenn wir sie dann als Lesung im Gottesdienst hören, dann klingen dem Chorsänger im Kopf die Melodien mit. Und der Text ist kein fremder Text. Er ist Text, der bereits klingt, der sich so einprägt hat. Der schon adressiert und charakterisiert ist durch die Musik. Der mir schon gehört, weil er in mir klingt.

 

Mehr wollte die Reformation, diese gewaltige Wort-Bewegung nicht: dass man das Evangelium „mümmelt“, sich aneignet. Und: Bibeltexte kann man eben auch vom Notenpapier mümmeln: Weihnachtsoratorium, Passionswerke, Kantaten, einfache Choräle – es kommt in 40 Jahren ein reicher Fundus an klingenden Bibelversen zusammen!

 

Nichts bleibt ohne Klang! – Das ist letztlich nicht nur Eure Erfahrung, sondern eine Verheißung! Gottes Wort wird klingen – durch seine Mitarbeiter im Ackerfeld.

 

So hat die Lutherkantorei 40 Jahre verkündigt:

11 Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.

8 Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit.

 

III.

Die frohe Botschaft, auch die gesungene frohe Botschaft, gilt es immer wieder neu auszudrücken. Wer Gott ist, welche Verheißungen und Pläne er mit seiner Gemeinde hat, gilt es immer wieder neu in Wort und Musik zu fassen. Neben den alten Meistern hat die Lutherkantorei immer auch moderne Musik dargeboten. Und die ganze Gemeinde hat auch durch die Chormusik neue Lieder gelernt und so das Evangelium nach Hause getragen.

 

Tragt in die Welt nun ein Licht – ein bekanntes Adventslied.

Strahlen brechen viele – ein bekanntes Christuslied.

Unser Leben sei ein Fest – ein bekanntes Geist-Lied.

Alles Melodien aus dem Jahr 1972!

 

Wenn es nicht Chöre gäbe, die diese Lieder transportieren, die Kirchenmusik, die stets neue Impulse setzt im gottesdienstlichen Leben – welcher Schatz bliebe unentdeckt, unangeeignet?

 

IV.

40 Jahre – die biblische Zahl für eine generationsübergreifende Zeit. Es gehört zu einem besonderer Qualitätsmerkmal unserer Lutherkantorei, dass sie viele Jahre zusammengeblieben ist. Viele Jahre lieferte der Kinder- und Jugendchor den Nachwuchs.

 

Es gehört zu den wunderbaren und manchmal auch schmerzhaften Erinnerungen, dass der Chor mit seiner Musik Ausdrucksformen für verschiedene Lebenssituationen eingeübt hat. In einer solchen generationsübergreifenden Zeit von 40 Jahren bleibt das nicht aus: Geburten und Taufen im Chor. Hochzeiten im Chor. Auch Todesfälle im Chor.

 

7 Gedenkt an eure Lehrer, die euch das Wort Gottes gesagt haben; ihr Ende schaut an und folgt ihrem Glauben nach.

 

Der Glaube verbindet eine Gemeinschaft, verbindet Lebenssituationen, knüpft ein Band mit der geistlichen Tradition einer Gemeinde, zu den Lehrerinnen und Lehrern im Glauben. Und das trägt!

 

Es gibt diesen schwedischen Film „Wie im Himmel“, der von einer verschlafenen und zerstrittenen Gemeinde erzählt. Dann kommt ein neuer Chorleiter, der durch die Musik eine Gemeinschaft beschwört, die neues Vertrauen und Freiheit erzeugt – bis in die privaten Beziehungen. – Interessanterweise haben alle Kirchenmusiker, die ich angesprochen habe, diesen Film fürchterlich gefunden: so klischeehaft, so überzeichnet. Fand ich auch. – Und dennoch glaube ich, dass ein Chor – wenn er denn nicht zu einer Gemeinde in der Gemeinde wird und sich selbst genügt – ein wichtiges soziales Gefüge ist, wo man sich wirklich gegenseitig stützt und trägt. Günter Treeck: „Nur wer das Chormitglied neben ihm kennt und ihm zuzuhören vermag, kann auch mit ihm singen!“ – Deshalb gehören zur Lutherkantorei von Anfang an die Fahrten, Ausflüge und Potthucke-Essen!

 

V.

Musik ist für mich ein Gleichnis für den Glauben. Es gibt so viele Parallelen gibt. Wir fragen im Glauben danach, was uns hält und trägt im Leben. Wie hältst Du es mir der Religion? Wie kann ich Gott spüren?

 

Die Musik ist ein Gleichnis dafür:

Sie hat Rhythmus, wie auch die Religion. Sie wird eingeübt, bei aller Freude: Manchmal ist sie auch schwere Arbeit und viel Disziplin. Musik ist letztlich nicht zu enträtseln – Religion auch nicht -, aber gerade das ist doch das Fanzinierende! ´S klingt bei jedem anders, aber das ist doch das wunderbar Geheihmnisvolle gegen die Wut des Verstehens (Schleiermacher), der wir im Glauben oft unterliegen!

 

Musik ist so am Anfang, wie Gott selbst am Anfang ist: „Gottes Geist schwebte über den Wasser“ – der zweite Satz der Bibel könnte auch übersetzt werden: „Gottes Geist swingte über den Wassern…“

 

Schon in und vor der Schöpfung geht es um den Swing, die Bewegung Gottes, den Klang, mit dem er unsere Welt berührt. Wir die Geschöpfe – wir sind wahre Klangkörper – der kirchenmusikalisch gewendete Begriff für „Ebenbild“. Wir sind Mitarbeiter Gottes in seinem Ackerfeld (Paulus). Wir sind berührt eben auch vom Geist der Musik.

 

Für Euch, liebe Sängerinnen und Sänger in der Lutherkantorei, ist dieser Geist Gottes gleichzeitig Ausdrucksform geworden, die andere be-geist-ern kann. Eure Musik hat eine missionarische Kraft, hat keinen Selbstzweck, sondern ist ein Wegweiser: Ein anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Christus.

 

Oder mit Martin Luther gesprochen: „Singet dem Herrn ein neues Lied, singet dem Herrn alle Welt!” Denn Gott hat unser Herz und Mund fröhlich gemacht durch seinen lieben Sohn, welchen er für uns gegeben hat zur Erlösung von Sünden, Tod und Teufel. Wer solchs mit Ernst gläubet, der kanns nicht lassen, er muss fröhlich und mit Lust davon singen und sagen, dass es andere auch hören und herzukommen.“

 

Also, Ihr alle: Singt und lobt Gott mit Euerm Lebensatem!

Amen.