Was Gott möglich ist (zur Schließung der Ref. Kirche: Lk 18,27/Jahreslosung 2009)

„Was bei den Menschen unmöglich ist, ist bei Gott möglich.“ (Lk 18,27) Was ist denn möglich und unmöglich und wem und wem nicht? Ein Kamel passt nicht durch ein Nadelöhr. Unmöglich!

Predigt: Neujahr 2009 – Reformierte Kirche Altena

Jahreslosung 2009: „Jesus Christus spricht: Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich.“ (#Lk 18,

 

Die guten Vorsätze für 2009 einhalten – teilweise möglich, je nachdem, wie banal sie sind!

Frieden zwischen Israel und Palästinensern? – Auch das ist möglich, auch wenn’s anscheinend keiner für möglich hält: Denn beide Völker haben nicht nur genug vom Krieg, sondern haben in ihren Heilige Schriften mehr über Nächstenliebe als über Vergeltung stehen.

Das Reich Gottes erben oder gar herbeiführen? Das ist liegt nicht in Menschenhand – also unmöglich!

Das vergangene Jahr einfach mit einem Schlussstrich versehen und nach vorne schauen – ist das möglich? Oder hängen da Erinnerungen und Gefühle nach, die es unmöglich machen? Da wird es schon schwieriger und ist wohl kaum allgemein zu beantworten.

Die Klimakatastrophe abwenden? Möglich oder unmöglich? Noch bleiben wohl wenige Jahre: Unsere Generationen wird es theoretisch noch möglich sein – aber nur mit besseren Vorsätzen fürs neue Jahr: Nach und nach werden gerade internationale Klimaschutz-Absprachen gestutzt oder in die Zukunft gestreckt wegen der Finanzkrise!

Überhaupt: Die weltweite Finanzkrise abwenden: möglich oder unmöglich? Die einen, die politische Verantwortung trage, müssen „ja“ sagen. Die anderen, die die Krise angerichtet haben, sagen „nein“, denn sonst hätten sie sie auch verhindern können. Die meisten beschleicht eine große Unsicherheit.

Eine Kirche schließen? Ist das möglich oder unmöglich? – Das ist nicht nur Frage des faktisch Möglichen, sondern auch eine Frage des moralisch Möglichen. Wir tun’s – und da können Sie alle sicher sein -, nachdem wir alles Mögliche überlegt und gewendet haben.

 

II.

So einfach ist es also nicht, das Mögliche vom Unmöglichen zu unterscheiden. Jesus macht selber einen Versuch der Unterscheidung (Jahreslosung 2009)

 

„Was bei den Menschen unmöglich ist, ist bei Gott möglich.“ (Lk 18,27)

 

Auf den ersten Blick wirkt die Jahreslosung wie eine Aufteilung der Aufgabenbereiche: hier der Mensch, dem einiges möglich ist – dort Gott, dem das möglich ist, was dem Menschen unmöglich ist.

 

Doch diese Unterscheidung ist absurd: Ich erinnere mich an eine Gebetsgemeinschaft, die einige fromme Vikare im Predigerseminar in morgentlicher Frühe abhielt. Ein Gebetsanliegen für eine schwer kranke Frau lautete ungefähr so: „Wir wissen nicht mehr, was nun noch möglich ist, Gott, und wie der Frau noch zu helfen ist. Aber bei Dir, Gott, ist alles möglich. Du weißt hoffentlich ´was.“

 

Gott ist sicher vieles möglich, was uns Menschen unmöglich ist. Aber Gott ist doch kein Lückenbüßer für alles das, was wir nicht erklären können. Das war Gott schon einmal in früheren Jahrhunderten. Und als dann die Naturwissenschaften immer mehr Sachverhalte erklären konnten, wurde Gott immer kleiner.

 

Gott ist nicht die Differenz zwischen dem, was wir möglich machen können, und dem, was wir uns wünschen, möglich machen zu können.

 

Diese Jahreslosung gehört in ihren biblischen Kontext – oder sie bleibt im Bereich des bekannten Slogans: „nichts ist unmöglich…“

 

Dieses Wort Jesu fällt in der Geschichte des „Reichen Jünglings“ (oder: „Von der Gefahr des Reichtums“) vor. Wir haben sie vorhin als Evangelium gehört.

 

Der Jahreslosung geht also die Begegnung mit einem jungen Mann voraus, der Jesus in ein Gespräch verwickelt: Seine Frage: Wie ererbt man das ewige Leben? Er ist reich und gehört zum Establishment der Gesellschaft. Und: Er kann als moralisch integerer Mensch gelten, da er stets die Zehn Gebote gehalten hat.

 

Eins aber fehlt ihm: Als Jesus ihn auffordert, sich von seinem Reichtum zu trennen, um sein Leben ganz in den Dienst Jesu zu stellen – da ist es ihm nicht möglich, dies zu tun. Der Reiche soll sich entscheiden, woran sein Herz hängt: an allem, was bisher Priorität in seinem Leben hatte, nämlich dem Reichtum, oder an die Nachfolge Jesu.

 

In den Evangelien gibt es viele Nachfolge-Aufforderungen: an die Fischer, die der Ruf Jesu beim Netzeflicken ereilt und die alles stehen und liegen lassen. Den Zöllner Levi, der dadurch ein neues Leben beginnen kann. An einen Mann, der sich wegen der Dringlichkeit der Nachfolge nicht einmal von seiner Familie verabschieden darf. Ein anderen, der sich nicht umsehen soll. Ein weiteren, der zuvor nicht einmal seinen toten Vater begraben darf.

 

Der Ruf Jesus ist absolut radikal – aber keinen trifft er so ins Mark wie den reichen Jüngling: Ihm ist es nicht möglich, die Prioritäten in seinem Leben zu ändern.

 

Er geht traurig davon. Traurig. Nicht zornig darüber, dass die Forderung Jesu unangemessen hoch wäre. Nein, traurig über sich selbst, dass er persönlich an die Grenze seiner Möglichkeiten gekommen ist.

 

Dass ein Reicher das Himmelreich erbt, also die Welt, wie Gott sie will, kennen lernt – möglich oder unmöglich? Die Antwort Jesu ist eindeutig: Unmöglich! Besitz und Reichtum scheinen in besonderer Weise „geeignet“ zu sein, die Nachfolge Jesu zu einem unmöglichen Unterfangen zu machen. Denn allzu schnell wird Reichtum zum Prestige und Abgrenzungsmerkmal – wo Jesus unvoreingenommen auf alle zugeht. Reichtum will gesichert werden, was Argwohn und Misstrauen fördern kann – Jesus hingegen öffnet seine Arme. Vermögen fördert oft Habgier, Egoismus und den Drang, das Materielle weiter zu mehren. Die Anhänger Jesu wurden reich an menschlichen Kontakten, wenn sie um Essen und ein Nachtlager fragten.

 

Es geht Jesus nicht darum, Reichtum an sich zu verdammen oder diesen Menschen. Es geht darum, dass dieser Mensch nicht bereit ist, seine Prioritäten zu ändern und dem Ruf Jesu zu folgen.

 

Eher noch geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, so der harte Satz Jesu. Und das ist – wie wir uns leicht denken können – absolut unmöglich.

 

Die Jahreslosung öffnet da auch keine Hintertür: Es ist nicht so, als ob es bei Gott doch möglich wäre, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr geht. Das wäre Zauberei!

 

Nein, die Jahreslosung steht erst zwei Verse später, nach der bangen Frage der Umstehenden: Wer kann denn dann überhaupt selig werden? Antwort: Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich.

 

Die Jahreslosung beantwortet also die Frage, wer selig werden kann, wer das Reich Gottes erbt, wer – um mit der Eingangsfrage des Jünglings zu sprechen – das ewige Leben erlangt. Darüber zu entscheiden, das ist tatsächlich allein die Möglichkeit Gottes. Dem Menschen ist es unmöglich, darüber zu entscheiden, wer selig wird.

 

Der Mensch kann aber sein Mögliches tun. Nicht, um sich das Heil zu verdienen – Gott lässt nicht mit sich handeln. Aber der Mensch kann sein Mögliches tun, um der Welt, wie Gott sie will, ein Gesicht zu verschaffen, an ihr mitzubauen.

 

 

III.

Ich bin mal gespannt, wie wir in den nächsten Wochen mit dieser Jahreslosung umgehen: Ich vermute, wir blicken viel eher auf die Tatsache, dass Gott Unmögliches kann.

 

Trauen wir uns im gleichen Maße das Mögliche zu? Oder kapitulieren wir selbst vor dem Machbaren?

 

Vertrauen wir darauf, dass sich unser Leben in der Begegnung mit Gott ändert? (Nichts anderes ist ja dem reichen Jüngling verheißen!) Trauen wir darauf, dass auch wir uns ändern in einem eigentlich unmöglichen Maße?

 

Leben wir im neuen Jahr mit der Frage: Was würde Jesus dazu sagen? Ist so ein Leben möglich oder unmöglich?

 

Es ist möglich! Wir haben ja gehört, wie die Szene weitergeht, als der reiche Jüngling traurig abgezogen ist. Petrus fragt bange: Wir haben ja alles verlassen und sind dir nachgefolgt. Lernen wir denn die Welt kennen, so wie Gott sie will?

Ja, sagt Jesus. Denn wie Petrus schon selber sagt: Ihm und den anderen Jüngern war möglich, was dem Jüngling unmöglich war. Ihre Herzen waren offen für Gottes Sache. Sie haben sich anrühren lassen von Jesus, seinem Sohn, habe sich auf ihn eingelassen. Bedingungslos.

 

(Die Möglichkeiten des Menschen haben Grenzen – keine Frage. Auch unser Glaube ist ein kleiner Glaube. Das spüren wir gerade besonders schmerzhaft, wo wir sagen müssen: Diese Kirche zu behalten, ist „unmöglich“. Womöglich gehen wir selber so traurig weg wie der reiche Jüngling, weil wir merken, dass wir nicht können, was theoretisch zu tun möglich wäre.)

 

Aber: Die Jünger haben das Mögliche getan. Jesus verlangt viel, aber Realisierbares!

Sie haben ihre Netze verlassen.

So, wie Palästinenser und Israelis die Möglichkeit haben, aufeinander zu gehen.

Sie haben ihre Familien verlassen.

So wie es uns noch möglich ist, dass wir mit unseren Gewohnheiten brechen, mit dem ständigen Wachstums- und Konsumdenken, und ernst machen mit einem ökologischen und nachhaltigen Wirtschaften, um den Klimawandel aufzuhalten.

Die Jünger haben sich ganz und gar Gott verschrieben.

Genauso werden wir im neuen Jahr oft Situationen erleben, in denen wir vor Entscheidungen gestellt sind. Nicht nur vor ethische Entscheidungen, wie wir uns richtig verhalten sollen. Auch vor Glaubensentscheidungen: Trauen wir dem Nazarener und seiner Lebenseinstellung und Gottesbeziehung mehr zu als den Werten und Prioritäten, die wir sonst mit uns herum tragen? Geld und Reichtum ist da nur eine Falle. Woran hängen wir unser Herz?

 

 

V.

Ich engagiere mich in der Initiative Pskow, einem Zusammenschluss von Christen in der rheinischen Kirche, die aus dem Versöhnungsgedanken heraus diakonische Einrichtungen in der russischen Stadt Pskow gebaut haben.

Ganz unterschiedliche Menschen tun ihr Mögliches – und manchmal selbst das Unmögliche. Ein unglaubliches Beispiel zum Schluss: Da sammelte ein Mensch, gar nicht Mitglied der Initiative, drei Jahre lang Leergutflaschen – nicht, um damit seinen eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten, sondern um die Hilfsprojekten zu unterstützen. Drei Jahre lang war er täglich auf Achse und sammelte unglaubliche 12.000 EUR – mit Leergutflaschen. Weil er davon überzeugt war, dass er damit etwas Gutes tun konnte.

 

Schauen wir auf das uns Mögliche! Manchmal scheitern wir und gehen traurig weg. Das gehört zum Menschsein dazu – übrigens auch zum Christsein! Manchmal sehen wir andere, für die viel mehr möglich ist als für uns. Es ist gut, dass es sie gibt, wie es die Jünger gab. Achten wir aber selber genauer auf unsere Möglichkeiten – auch auf unsere gemeinsamen Möglichkeiten.

Unser Möglichkeiten zeugen in meinen Augen stärker von Gottes neuer Welt als die vorschnellen Versuche, Gott unsere Unmöglichkeiten zuzuschieben.


 

18 Und es fragte ihn, Jesus, ein Oberer und sprach: Guter Meister, was muss ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe? 19 Jesus aber sprach zu ihm: Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als Gott allein. 20 Du kennst die Gebote: [a] »Du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht töten; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsch Zeugnis reden; du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren!«

21 Er aber sprach: Das habe ich alles gehalten von Jugend auf. 22 Als Jesus das hörte, sprach er zu ihm: Es fehlt dir noch eines. Verkaufe alles, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen [a] Schatz im Himmel haben, und komm und folge mir nach!

23 Als er das aber hörte, wurde er traurig; denn er war sehr reich. 24 Als aber Jesus sah, dass er traurig geworden war, sprach er: Wie schwer kommen die Reichen in das Reich Gottes! 25 Denn es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher in das Reich Gottes komme. 26 Da sprachen, die das hörten: Wer kann dann selig werden? 27 Er aber sprach: Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich. 28 Da sprach Petrus: Siehe, wir haben, was wir hatten, verlassen und sind dir nachgefolgt. 29 Er aber sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Es ist niemand, der Haus oder Frau oder Brüder oder Eltern oder Kinder verlässt um des Reiches Gottes willen, 30 der es nicht vielfach wieder empfange in dieser Zeit und in der zukünftigen Welt das ewige Leben.

 

Halleluja: Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Weg. Halleluja.